Audi RS6 C5 (2002) Fahrbericht
Was taugt die 20 Jahre alte Power-Limousine?
Mit 450 PS Leistung war der Audi RS 6 im Jahr 2002 der bis dahin stärkste Serien-Audi. Im Testduell ließ die dezente Power-Limousine mit Cosworth-V8-Triebwerk sogar den BMW M5 stehen.
29.07.2022 Dirk JohaeKurz vor dem zweiten Gesamtsieg mit dem Rennwagen R8 beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans 2002 zündet Audi sein stärkstes Serienauto. Auf Basis des Oberklassemodells A6 (Baureihe C5) haben die Herren der vier Ringe ein Sportmodell entwickelt, das in der Tradition der leistungsstarken RS-Modelle steht.
Nicht zuletzt durch die Erfolge beim Langstreckenrennen von Le Mans ist das sportliche Selbstbewusstsein in Ingolstadt spürbar gewachsen. Der Audi RS6 stellt als echter Leistungssportler für die Straße alles in den Schatten, was Audi bis dahin als Serienauto gebaut hatte. Der V8-Motor mit 4,2 Litern Hubraum, der von zwei Turboladern zwangsbeatmet wird, leistet mit 450 PS so viel wie der damals aktuelle DTM-Audi des Abt-Teams, mit dem der Franzose Laurent Aïello in der Saison Meister wurde. Natürlich hatte der RS6 obendrein den Quattro-Antrieb, der seit Ferdinand Piëchs Geniestreich in den frühen 80ern das Markenzeichen für sportliche Straßen-Audi ist.
560 Nm Drehmoment schon ab 1.900/min
Dazu fügt sich der Name Cosworth in das Legendengeflecht. Die Technologiesparte der Firma aus Northampton, die 1967 mit ihrem Ford-Formel-1-Motor den Durchbruch schaffte, gehörte von 1998 bis 2004 als Tochterfirma zur Audi AG – sie baute den RS-V8 in England. Beeindruckender als die Spitzenleistung ist der permanente Schub des Motors. Das maximale Drehmoment von 560 Newtonmetern steht schon bei 1900 Touren zur Verfügung. Der 4,2-Liter-Biturbo benötigt keine hohen Drehzahlen, um seine Leistung in Schub zu verwandeln. Könnern gelingt der Sprint auf 100 km/h mit dem Audi RS6 in 4,7 Sekunden, in 11,2 Sekunden erreichen sie 160 km/h.
Solange es geradeaus geht, ist mit dem Audi RS 6 alles prima. Doch vor allem auf engen, kurvigen Straßen spürt man das mächtige Gewicht von 1,9 Tonnen deutlich. Schon das luxuriöse Interieur lässt befürchten, dass der RS6 trotz seiner Leistungsbereitschaft zu viele Kilos mit sich herumschleppt.
Trotz Dynamic Ride Control kein Fabel-Fahrwerk
Die Audi RS 6 Limousine und auch der Avant sind trotz des Antriebsstrangs mit Spurenelementen von Formel 1 und Rallye-Weltmeisterschaft keine Sportwagen. Zur Körperfülle kommen die Abmessungen einer Chauffeur-Limousine mit gut 4,86 Meter Länge und 1,85 Meter Breite. Dabei haben sich die Ingenieure der Quattro GmbH alle Mühe gegeben, die üppige Leistung auf die Straße zu bringen.
Neben der Spezialität des Hauses in Form der vier permanent angetriebenen Räder entwickelten sie für den Audi RS6 ein Dämpfersystem mit dem Zauberkürzel DRC: Die hydraulische Dynamic Ride Control verbindet die jeweils diagonal gegenüberliegenden Einrohrdämpfer und sorgt bei Kurvenfahrten für eine zusätzliche Dämpferwirkung. Das DSC wirkt so wie ein Stabilisator.
Allerdings überzeugt das Audi-RS6-Fahrwerk nicht in jeder Disziplin. Die Fahrt durch den Slalomparcours muss im Supertest von sport auto mehrfach abgebrochen werden, weil sich das Auto zu stark aufschaukelt und dann schlagartig das Heck ausbricht.
Audi RS6 schlägt BMW M5
Jedoch schlägt der Audi beim Slalomtest seinen direkten Rivalen BMW M5. Im Vergleichstest von auto motor und sport hatte der Audi RS 6 bei den Fahreigenschaften die Nase klar vorn. Dafür sind die Audi-Entwickler beim Komfort keine Kompromisse eingegangen. Der RS 6 ist so hart abgestimmt wie ein Sportwagen. Das konnten BMW mit dem M5 und Alpina mit dem B10 V8 S erheblich besser.
Insgesamt aber kann sich die Power-Limousine aus Ingolstadt in der Eigenschaftswertung des Dreier-Vergleichs knapp durchsetzen. In der Gesamtwertung jedoch landet der Audi RS 6auf dem letzten Platz, weil er in der Kostenwertung durchfällt: Der Audi war in der Anschaffung mit 86.500 Euro um 12.000 Euro teurer als der M5. Dazu machten die extrem hohen Versicherungsprämien aus dem Fahren mit dem RS6 ein äußerst exklusives Vergnügen.
Nur knapp über 8.000 RS6 wurden von der Quattro GmbH in Neckarsulm gebaut, zweieinhalbmal weniger als der BMW M5, und das, obwohl der RS6 noch einen Trumpf im Ärmel hatte: Während es den BMW der E39-Baureihe nur als Stufenheck-Limousine gab, bot Audi seine Power-Limousine außerdem als Kombi an.
Audi RS6 Avant mit viel Platz
Wie beim zivilen A6 auch, lässt sich der Laderaum beim Audi RS6 Avant durch Umlegen der Rücksitze bis auf 1.590 Liter Volumen vergrößern: Diese Mischung aus Sportlichkeit und Alltagstauglichkeit ist auch beim angehenden Klassiker besonders beliebt. Den Avant gab es ab April 2004 in der ultimativen Version als RS 6 Plus mit 30 PS mehr und besonderer Ausstattung.
Die auf 999 Exemplare limitierte Sonderserie könnte sich zu einem hoch dotierten Sammlerstück entwickeln. Das gilt natürlich ganz besonders für die einzige gebaute Limousine dieser Serie, die als letzter Audi RS 6 die Fertigung in Neckarsulm verließ – hoffentlich weiß der Besitzer zu schätzen, was er an diesem Einzelstück hat.
Neupreis über 100.000 Mark
Der Audi RS 6 Plus verfügt nicht nur über eine gesteigerte Motorleistung, sondern regelt die Höchstgeschwindigkeit auch erst bei 280 km/h ab. Dazu rüstete die Quattro GmbH den leistungsgesteigerten RS technisch mit einem Sportfahrwerk, noch leistungsfähigeren Bremsen, einer Sportauspuffanlage und 19-Zoll-Rädern serienmäßig aus.
Der Kaufpreis dieses exklusiven Audi RS6 überstieg so die Schallmauer von 100.000 Euro und erreichte das Niveau eines Luxussportwagens. In jeder Hinsicht legte Audi die Messlatte für Limousinen mit Sportwagenleistungen ziemlich hoch. Mit Macht unterstrich Audi, dass sie nicht nur ihre sportlichen Gegner auf der Rennstrecke herausfordern konnten, sondern mit sportlichen und besonders leistungsstarken Autos auch in der Serie.
Bescheidene Fassade
Aber den Durchbruch als Youngtimer hat der Audi RS 6 besonders in seiner Normalform noch nicht geschafft: Zu sehr versteckt sich die hohe Motorleistung hinter einer recht bescheidenen Fassade, die sich von den Schwestermodellen der C5-Baureihe erst auf den zweiten Blick unterscheidet.
Nur die Frontpartie mit den Lufteinlässen für die Kühler von Ladeluft, Wasser und Öl, die großen Leichtmetallfelgen, die kleine Spoilerkante auf dem Kofferraumdeckel und die Heckschürze kennzeichnen den Audi RS 6 markant – und natürlich die auffälligen Logos an Front und Heck.
Die mattsilbernen Außenspiegel sowie die anderen Schweller zum Beispiel sehen nur Detailverliebte. Der Audi RS 6 trägt seinen Charakter nicht zur Schau. Auch der sehr gedämpfte Klang des V8 lässt keine Rückschlüsse auf seinen Charakter zu: Er klingt so bieder wie Heino beim Absingen eines Lieds von Rammstein.
Cosworth-V8 wird versteckt
Dabei hätte der Alu-Motor des Audi RS6 das Zeug zu einer waschechten V8-Klangkulisse, die jedem US-Big-Banger Konkurrenz machen könnte. Doch seine Väter mögen den bis dahin stärksten Serien-Audi aller Zeiten lieber als unauffälligen Leisetreter.
Das gilt auch für den Motorraum: Statt auf zwei prächtige Zylinderbänke des V-Motors mit 90° Bankwinkel fällt der Blick zunächst auf den in saftigem Rot angebrachten Schriftzug "Biturbo" und dann auf eine große Kunststoffblende, auf der das schlichte V8 zu lesen ist.
Katapultartige Beschleunigung
Die Lust am Audi RS6 entsteht somit vor allem beim Fahren, wenn der mächtige V8-Biturbo seine Muskeln spielen lässt: Das Gefühl, beim Kickdown wie von einem Katapult in den Sitz gedrückt zu werden, macht süchtig. Immer wieder lockt der Reiz, die urwüchsige Kraft des bayerisch-britischen Kraftpakets von Neuem zu spüren.
Dieser Motor ist der Hammer, und dank der Fünfgangautomatik sowie des Quattro-Antriebs ist der Vortrieb scheinbar grenzenlos. Das bedeutet Audi RS6-Feeling pur.
Karosserie-Check
Die Karosserie wirkt selbst nach vielen Jahren solide wie eine Kirchenmauer. Dank der vollverzinkten Stahlkarosserie ist auch bei langer Lebensdauer mit wenig Rost zu rechnen. Über die Qualität der Karosserie wie auch des Interieurs entscheiden die Pflege und der Umgang mit dem Auto. Der größte Feind einer gut erhaltenen Karosserie lauert in versteckten oder nicht sachgerecht reparierten Unfallschäden. Darauf hin sollte das Auto sehr genau angeschaut werden. Im Zweifel sollte man einen Fachmann hinzuziehen
Technik-Check
Der besonders leistungsstarke, bei Cosworth gebaute 4,2-Liter-Alu-Motor ist kein Motor von der Stange. Auch der permanente Allradantrieb mit automatisch sperrendem Torsen-Mittendifferenzial ist hochwertige Technik, die regelmäßige und fachkundige Wartung erfordert: Sie muss für das Auto lückenlos und mit Scheckheft sowie Werkstattrechnungen nachweisbar sein. Spätestens alle 90.000 Kilometer sollte zum Beispiel der Zahnriemen erneuert worden sein.
Preise
Classic-Analytics listet eine Audi RS6 Limousine der Baureihe C5 in gutem Zustand mit 20.100 Euro, im mäßigen Zustand mit 5.300 Euro. Doch für das Geld wird man selbst einen lädierten RS6 kaum finden. Der Avant ist mit 21.200 Euro in gutem Zustand etwas und mit 9.200 Euro in mäßigem Zustand deutlich teurer als die Limousine.
Die Angebote auf großen Online-Marktplätzen beginnen bei etwa 15.000 Euro. Ein Sonderfall sind Exemplare mit niedrigen fünfstelligen Kilometerständen und der nur 564-mal gebaute RS6 Plus.
- Bei Einführung 2002:
- 86.500 Euro
Ersatzteile
Die Versorgung erfolgt über die Audi-Niederlassungen und -händler. Bei der hochwertigen Technik der RS-Familie muss man sich auf hohe Preise einstellen. Die Versorgung gilt allgemein als gut, es kann aber immer zu Lücken bei einzelnen Ersatzteilen kommen.
Schwachpunkte
- fehlende Wartung (Scheckheft)
- Unfallschäden
- Tuning
- Verschleißteile (z.B. Bremsen)
- DCC sowie Querlenker vorn
- Getriebe (Ölwechsel)
- Turbolader
- Zahnriemen
- Wasserrohr Ölkühler/Motor
- Interieur
Wertungen
Fazit
Der RS6 bietet viel Motorleistung fürs Geld.Aber die recht niedrigen Kaufpreise bergen sehr teure Risiken. In jedem Fall sind nur Autos mit lückenloser Wartungshistorie ihr Geld wert. Die Hochleistungstechnik braucht Pflege.