Aston Martin DB5 Goldfinger
Goldfinger – reloaded. Und wie!
Aston Martin haut nochmal richtig welche raus. Genauer: 25 Stück des vielleicht berühmtesten Film-Autos der Welt. DB5. Nur echt mit Schlitzern, Sprühern, Schleudersitz. Das gucken wir uns mal genauer an. Und drehen eine Runde mit dem 290 PS-Replikanten auf den Avon-Reifenspuren von 007.
09.09.2020 Jörn ThomasHeißa, das waren noch Zeiten. Als der britische Gentleman zu badebekleideten Frauen sagen durfte: "Dink, sag auf Wiedersehen, Männergespräch", um sie mit einem deftigen Klaps auf den Hintern zu verabschieden. Heutzutage würden die Serverfarmen unter dem Shitstorm sozialer Netzwerke verglühen, 007 nicht nur seine Lizenz verlieren um anschließend bis zu seinem Ende durch Gerichtssäle geklagt zu werden. 1964 war das anders. Die Welt geordnet, Geheimagenten unantastbar, das Vereinigte Königreich ein Empire. Und das Böse kam aus Deutschland. Hier in Gestalt von Gert Fröbe, der eigentlich gar nicht erste Wahl war, es dann aber wurde. Höchstens beschattet vom Hauptdarsteller. Sean Connery? Nö. DB5. Aston Martin DB5. Ein original vielleicht gar nicht mal sooo gutes, von 1963 bis 1965 knapp 900 Mal gebautes Coupé. Und trotzdem ein einzigartiges. Dank 007. Wobei – einzigartig? Zukünftig wird die Welt nämlich um 25 von ihnen reicher sein.
Drei Millionen Euro. Keine Straßenzulassung
Kurzer Einschub: reicher als andere sollte der Interessent schon sein, bei einem Stückpreis von rund drei Millionen Euro. Einschub Ende. Doch Obacht, Als Daily Driver taugt das Coupé nicht, mangels Straßenzulassung. Neufahrzeuge müssen aufwendig homologiert werde. Oder liegt es an der Möglichkeit, im Pendlerstau das auszuleben, was man bisher höchstens zu fabulieren wagte, früher mit dem Corgi-Modell spielte. Nämlich Ölspuren legen, Reifen schlitzen Nebel werfen. Huch, jetzt haben wir schon die Hälfte gespoilert. Aber sie wissen doch eh Bescheid. Jeder Automobilist der sein Leben nicht unter einem Stein verbrachte kennt die ausfahrenden Reifenschlitzer, die Tilly Mastersons Mustang in den Graben beförderten. Siehe Corgi-Modell.
Überhaupt die Autoszenen in der Schweiz. Auto, Handlung, Bergwelt: eine Kombination, die sich festsetzt. Schwer zu sagen, wer den größten Anteil hat. Die Landschaft? Sensationell. Ich fuhr extra hin, zur James-Bond-Straße auf dem Furka. Am Halteplatz, an der Tilly ihr Gewehr auf Goldfinger anlegt gibt es eine Gedenkstelle die die Titelmelodie spielt. Toll. Ebenso toll: das Auto. Wie sagte K: "Sir, Sie fahren jetzt einen Aston Martin DB5. Wir haben ihn etwas verbessert. Kugelsichere Frontscheibe, Seiten- und Heckscheiben auch. Natürlich drehbare Nummernschilder gültig für alle Länder." Nicht zu vergessen: der Funksender Homer samt Bildschirm im Wagen. Und weiter: "Sehr interessante Zusatzgeräte. Der Kasten mit dem Verteidigungsapparaten. Rauchentwickler, Ölsprüher, kugelsichere Rückwand. Vorne links und rechts ein Maschinengewehr."
Maschinengewehre? Geben nur Lichtsignale. Immerhin: der Sound entspricht denen der echten Brownings. Und die Rückwand ist tatsächlich kugelsicher. Das Fahrwerk original, ebenso wie die Avon-Reifen und das ZF-Getriebe. Obwohl das Continuation Car komplett neu ist, passt alles zu den historischen Modellen, man hat also nichts technisch optimierend verändert. Wie sagte Paul Spires, der Chef von Aston Martin Works: Jeder kann sich mit einem Dinnerjacket ins Auto setzen und fühlt sich sofort wie James Bond. Ach ja, bevor wir es vergessen: statt sich lange über missliebige Beifahrer zu echauffieren, entledigt man sich ihrer hier per Knopfdruck. Da war sogar 007 konsterniert: "Schleudersitz? Das ist doch ein Scherz." K: "Ich scherze nie, wenn es sich um meine Arbeit handelt." Womit das auch geklärt wäre. Im Film trifft es einen bewaffneten Koreaner. Schaltknauf hochgeschnipst, roten Knopf gedrückt, schwupps öffnet sich die Dachhälfte – und weg war er. Da sind wir jetzt aber gespannt, ob sie das wirklich hineinbekommen.
The Smiths – authentisch, cool
Da schauen wir für unseren Trip mit BMT 216 A doch gleich mal nach einem geeigneten Beifahrer. Entwarnung, Schatz, der heiße Sitz schaffte es nicht in den aktuellen DB5. Trotz der 4.500 Arbeitsstunden, die in jedem stecken, rund 500 allein in der Lackierung Silver Birch. Den Lack trägt pro Auto immer derselbe Lackierer auf. Jeder arbeitet etwas anders, es bestünde sonst die Gefahr, unterschiedliche Nuancen erkennen. Womit klar ist, wie ernst es die historische Abteilung von Aston Martin Works in Newport Pagnell, Buckinghamshire meint. Richtig ernst. Klassik trifft Moderne mit Aluminiumkarosserie überm Stahlchassis. Begeisternde Handwerkskunst. Buchstäblich. Allein den Männern in der klinisch reinen Halle beim Bearbeiten des Aluminiums zuzusehen, bei den Flächen, den Details, den Passungen, während sie nebenan Leder zuschneiden, dem Polstern, Beziehen.
Nur dass sie so unschöne Dinge wie Korrosionsbrücken zwischen Stahl und Aluminium mittlerweile durch Kunststoff-Streifen verhindern. In den über 55 Jahren lernt man halt dazu. Auch beim Motor. Wie gehabt schlürft unter der Superleggera-Haube ein stämmiger Vierliter-Reihensechszylinder frei saugend durch drei SU-Vergaser. 290 PS sollen herauskommen, die übers trocken zu schaltende ZF-Fünfganggetriebe an die Hinterachse inklusive mechanischem Sperrdifferenzial gelangen. Originale Konstruktion, doch neue Materialien optimieren manches, die Leistung kommt vielleicht etwas flüssiger rüber als früher.
Paul Spires verspricht nicht ohne Grund den besten DB5 aller Zeiten. Ein buchstäblicher Traumwagen zum Preis eines mittelprächtigen Reihenhauses in Stuttgarts Speckgürtel. Scherz. Freistehend wäre die Drei-Millionen-Immobilie schon. Aber nicht halb so begeisternd wie der Aston. Du öffnest die Tür und er hat dich im Sack. Selbst Altblech-Skeptiker verstummen und staunen. Buchstäblich unheimlich solide für ein so altes Auto, dieses solide Anfassgefühl bei den Oberflächen, dem Leder, den Kunststoffen, allem. Und erst das Holzlenkrad. Griffig, natürlich und offenporig warm mit den etwas flachen Nieten vorn und den leicht herausstehenden auf der Rückseite. Nicht zu groß im Durchmesser befehligt es die stramme Zahnstangenlenkung, da sollte man sein Wurstbrot schon vorm Rangieren verdrückt haben. Aber dann. Hui, fährt der schön. Ohne Allüren, dafür mit herrlichen Smiths-Uhren (Amperemeter von Lucas).
Rein in die Kreisel aber weg vom Limit
Die originalen Avon-Reifen genügen Kurvenambitionen die vom Limit soweit weg bleiben wie 007 von politischer Korrektheit. Immerhin reicht es, um aufmüpfige Transit-Piloten in der Kreisverkehren ebenso abzuhängen wie renitente Kleinwagentreiber. Bremsen kann er nämlich auch. Und der Sound… Relativ atemfreudiger Luftfilter trifft fein orchestrierte Abgasanlage. Kein prolliges Sprotzeln, kein Schiebe-Knallen, dafür jederzeit gediegen und souverän. Reihensechszylinder-synfonisch. Dinnerjacket an und ab. Lieber Paul Spires, Sie hatten ja so recht. Dieser DB5 reisst Dich mit. Auch als Lizenzlosen…