Alfa Romeo Spider 2.0 TS Fahrbericht

Diesen Keil gibt's schon ab 1.800 €

Ist der Alfa 916 ein echter Spider oder nicht? Oder spielt das am Ende gar keine Rolle? Mehr als nur ein Generationenwechsel, verkörpert der von Pininfarina gezeichnete Keil einen radikalen Bruch zu den Vorgängermodellen.

Alfa Romeo Spider 2.0 TS, Heckansicht Foto: Dino Eisele 21 Bilder

Das zweifellos Beste an Vorurteilen ist ja, sie aufgeben und loswerden zu können. Man macht sich Luft, man befreit sich, man öffnet sich. Oder auch, um schließlich dorthin zu gelangen, erst mal das Auto. Das funktioniert bei manchen Alfa 916-Spider sogar elektrisch. Wobei sich auch das schon gegen jenen Spider wenden ließe, den Alfa 1994 vorstellte. Etwa mit der Frage, wer so einen Komfortquatsch denn überhaupt braucht. Elektromotor und Hydraulik, da geht bestimmt irgendwann was kaputt, und dann diese fipsigen Tasten in der Mittelkonsole. Als ob man so ein Stoffdach nicht einfach von Hand hinter sich klappen könnte. Hat doch Jahrzehnte lang funktioniert. Überhaupt: Das soll ein Spider sein? Ein Alfa, das da?

Extreme Keilform und winzige Schweinchenaugen

Der Alfa Romeo Spider der Baureihe 916 macht sich so breit, und noch dazu unterstreicht er die optische Vordrängelei mit dieser Keilform, die so extrem wirkt, so überzeichnet, als solle sie eine Karikatur ihrer selbst sein. Und blickt er nicht richtig unsympathisch aus diesen kleinen Schweinchenaugen? Dazu passt, dass dieses Auto mit allem bricht, was den Alfa Spider bis dahin doch ausmachte. Er hat Frontantrieb und einen Vierzylinder mit Graugussblock aus dem Fiat-Regal, die halbe Karosse ist aus Plastik, und trotzdem wiegt das Ding fast 1,4 Tonnen. Wobei da das schwere Erbe, das der Alfa 916 anzutreten hatte, noch nicht mit eingerechnet ist. Das belastet ihn zusätzlich.

Denn sicherlich hatte es der Neue nicht vornehmlich seiner selbst wegen so schwer, zu gefallen, sondern weil man, um ihn zu begrüßen, den Alten zu verabschieden hatte. Der hatte 27 Jahre Zeit, in vier Generationen und mehr als 100.000-mal zu Everybody's Darling zu avancieren. Denkt man jetzt. Und vergisst dabei, dass schon der erste Alfa Spider, der heute umschwärmte Duetto, bei seiner Präsentation 1966 Missfallen erregte, was seine Gestaltung anging. Erst den drei Jahre später eingeführten Fastback mochten viele lieber, knötterten aber, dass sein bulliger Zweiliter nicht mehr so frei drehe wie der 1750er zuvor.

In bester Tradition der Gummilippe

Nichts aber war das im Vergleich zum Gezeter, das 1983 um den Alfa Romeo Spider Aerodinamica ausbrach. Aerodinamica, so nennt und kennt ihn doch kaum einer, weil man sich schnell einig war, die dritte Spider-Variante konsequent als "Gummilippe" zu verachten. So tief schien der Bruch, dass man der folgenden Variante, immerhin wieder ohne Gummilippen-Spoiler, nicht mal einen Beinamen gab, sondern es einfach bei der Bezeichnung "Serie 4" beließ.

Der Alfa Spider 916 tat nichts, um das gespannte Verhältnis zu kitten, sondern führte die Entfremdung erst mal fort. Das war schon abzusehen, als Alfa Romeo auf dem Turiner Salon 1986 unter der Bezeichnung Vivace zwei Studien Pininfarinas zeigte, die formal den Weg für den neuen Spider weisen sollten. Es hätte also auch schlimmer kommen können. Vielleicht muss das erst einmal reichen, um sich auf den 916 einzulassen, überfordert auch von den Mühen, die es bereitet, sich in immer dieselben Vorurteile zu verbeißen. Und dieser Spider hier, ein 2.0 Twin Spark von 2002, er öffnet sich für uns sogar so, wie er es sollte: von Hand.

Und er klingt überraschend: wie ein Alfa Romeo. Offensichtlich haben sie es geschafft, dem Vierzylinder des 916 mit Leichtmetallkopf, Doppelzündung und entsprechender Abgasanlage auch einen guten Ton beizubringen. Der ist auch deshalb so deutlich zu hören, weil einem selbst bei höherem Tempo der Fahrtwind nicht so wild durch die Birne pustet, dass schon nach kurzer Zeit die Welt in einem einzigen Rauschen untergeht.

Nein, von der Karosserie umschlossen wie von einem hochgeklappten Kragen, bleibt der Sturm in diesem Alfa Spider lange aus. Offen genug ist er trotzdem. Offen genug, das ist es – so funktioniert dieser Keil von Karosserie. Vornehmlich also für diejenigen, die sich reintrauen, die darin sitzen, die sich selbst haben öffnen können.

Zeitloser Spider

Für den 916, mit dem Alfa sich zum Glück nicht an der Wiedergeburt oder Neuauflage der klassischen Baureihe versucht hat. Was hätte das anderes werden können als eine von Wehmut an vermeintlich bessere Zeiten überzogene Halblösung? Dann lieber das entschlossen Neue, dem nun die Chance blüht, an und für sich zu einem Klassiker zu reifen.

Wobei das mit dem Reifen auf eine falsche Fährte führt. Das erinnert ja immer an einen Käse, der Monate lang in einem Regal unter Pilzkulturen gammelt, nur um dann als aromatisch beschrieben zu werden. Der Käse wird schlicht alt und stinkig, und genau das ist der Alfa Spider 916 auch 20 Jahre nach seiner Präsentation so gar nicht. Von wegen Käseregal. Straße! Da gehört er hin, der fünfte Spider, und da ordnet er sich ganz nahtlos in die Reihe seiner Vorgänger ein. Er sieht anders aus, er ist auf der modifizierten Bodengruppe des Fiat Tipo anders konstruiert, aber er macht nicht weniger Spaß.

Alfa Spider mit tollem Fahrwerk und klangvollen V6-Motoren

Immer wieder müsste man sich das verbissen einreden: Frontantrieb, Frontantrieb, Frontantrieb. Sonst hat man's schnell vergessen. Schuld daran ist ausgerechnet der ehemalige Fiat-Chef Paolo Cantarella. Der fuhr den Alfa Spider 916 in der Entwicklungsphase und beschied, ja, das Auto fahre sich gut. Und das sei ihm, Cantarella, nicht gut genug. So kam der Spider zu seiner an einem stabilen Alu-Hilfsrahmen gelagerten Mehrlenker-Hinterachse und mit ihr zu einem so spielerischen, gutmütigen und präzisen Handling. Weil die Hinterräder sich beim Einlenken infolge der Achskinematik immer einen Tick in die Gegenrichtung drehen.

Locker verkraftet dieses Fahrwerk, so straff abgestimmt, dass der Alfa Spider auf schlechter Strecke nicht ohne Geklapper auskommt und bei aufeinanderfolgenden Stößen ins Nicken kommt, auch die Leistung des Sechszylinders. Sechszylinder, das hatte es im Spider seit dem 2600 Mitte der 60er-Jahre nicht mehr gegeben. Im Alfa 916 gleich mehrfach: als Zweiliter-Turbo-V6, als Dreiliter-12- und -24-Ventiler sowie als 3,2-Liter 24V. Zu allen Motoren passt das eng gestufte, kurz übersetzte Getriebe so gut, dass mit jeder Bewegung des Schalthebels selbst festgefahrene Denkmuster neu in die Gänge kommen.

Letzter Alfa aus Arese

Ja, der Keil-Spider klappert und knarzt ab und an mit dem Plastik, sein Verdeck ist, auch geschlossen, nicht immer ganz dicht. Aber war das denn bei den Spider-Generationen davor der Fall? Und gibt es da nicht noch einen ganz und gar sentimentalen Grund, die Vorbehalte dem Alfa 916 gegenüber - Dach auf, Scheiben runter, dritter Gang - einfach wegpusten zu lassen?

Er war, bevor 2000 die Fertigung zu Pininfarina wechselte, das letzte Auto, das Alfa in Arese baute. So wird ihn immer ein bisschen die Melancholie eines großen Abschieds umwehen. Und mit ihr: Sympathie.