Alfa Romeo 155 und Mercedes C-Klasse (W202)

DTM-Rivalen der 90er als günstige Youngtimer

Alfa Romeo 155 und Mercedes C-Klasse (W202) waren in den 90ern erbitterte DTM-Gegner - mit Nicola Larini und Klaus Ludwig am Steuer. Was leisten die Serien-Versionen der Youngtimer? Wir sind beide gefahren.

Alfa Romeo 155 2.0 Twin Spark, Mercedes C 180, Frontansicht Foto: Arturo Rivas 32 Bilder

Aus den Augen, aus dem Sinn - so heißt ein Sprichwort, das auf viele Youngtimer zutrifft. Dabei gerät nicht nur die Existenz eines bestimmten Modells in Vergessenheit, sondern oft auch dessen glanzvolle Rennsportgeschichte. Wie zum Beispiel die Geschichte des Alfa Romeo 155, dessen Sportversion 1993 bei den 22 Rennläufen der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) alles in Grund und Boden fuhr und damit gleichzeitig das Überleben der populärsten deutschen Rennserie sicherte (siehe unten).

Trotzdem ist heute die kantige Alfa-Limousine seltener auf unseren Straßen zu entdecken als ein moderner Ferrari. Und wer sich auf einschlägigen Internet-Börsen für einen Alfa Romeo 155 interessiert, kann aus nicht einmal 50 Angeboten auswählen. Sein damaliger Hauptgegner, der Mercedes C 180, kommt dagegen als Gebrauchtwagen auf über 9.000 Treffer. Dabei sind die anderen Motorisierungen der C-Klasse (W202) vom 75-PS-Diesel bis zum C 55 AMG mit 347 V8-PS noch gar nicht mitgezählt.

Alfa Romeo 155, Mercedes C 180, DTM Foto: Arturo Rivas
Rivalen der Rennbahn: Anno 1994 starteten Alfa 155, Opel Calibra und Mercedes C-Klasse in der DTM. Außerdem waren noch drei Mercedes 190 E am Start.

DTM-Klasse 1 mit über 400 PS und bis zu 12.000/min

Natürlich wissen die wenigen Alfa Romeo 155-Fans und wahrscheinlich auch einige treue DTM-Besucher, dass die Serienversionen von C-Klasse und Alfa 155 mit ihren DTM-Pendants nur die grobe Karosserieform gemeinsam hatten. In der 1993 neu eingeführten Klasse 1 leisteten die vorgeschriebenen V6-Saugmotoren mit 2,5 Litern Hubraum bei Drehzahlen bis zu 12.000/min über 400 PS.

Motor, sequenzielles Getriebe und Fahrer wurden zur Optimierung der Balance nach hinten verlegt. Allradantrieb und Traktionskontrollen verbesserten beim Alfa Romeo 155 den Vortrieb, während Mercedes auf den Allrad verzichtete und dafür mit 40 kg weniger Gewicht antreten durfte.

Große Freiheiten für Aerodynamik-Pakete

Schließlich war die komplette Aerodynamik unterhalb einer zwischen den Radnaben gedachten Linie freigestellt. Und ein großer zweiteiliger Heckspoiler sorgte dafür, dass die etwas über eine Tonne schweren Dampfhämmer fast schon wie Kaugummi auf der Straße klebten. Umso interessanter ist deshalb die Frage, wie sich heute die braven Serienversionen der beiden Rennboliden fahren - und ob sich hinter dem Lenkrad sogar ein gewisses DTM-Gefühl einstellen wird.

Wir beginnen unsere Erkundungstour mit einem silbernen Mercedes C 180 Elegance Automatik aus dem Jahr 1995. Für die Stuttgarter war der Nachfolger des ersten "Baby-Benz", von dem rund 1,9 Millionen Exemplare gebaut wurden, ein enorm wichtiger Topseller. Auch in der DTM sollte die C-Klasse der Baureihe W202 die Siegesfahrt ihres Vorgängers 190 E 2.5-16 (W201) fortsetzen, der 1992 mit Klaus Ludwig im Cockpit den Meistertitel erstmals nach Stuttgart holte.

Mercedes W202 mit 3 Ausstattungslinien

Na ja, so richtig dynamisch-sportlich kommt unse Mercedes C 180 gerade nicht daher. Als typische Kreation von Bruno Sacco zeigt sie mit den großen Scheinwerfern und ihrer rundlichen, fast schon molligen Figur eine gewisse Gemütlichkeit. Dazu passen auch vorzüglich die Stahlräder mit Plastik-Radkappen, die Rundum-Rammschutzleisten und auf der Mittelkonsole dunkles, glänzendes Holz aus jener düsteren Epoche, als Ikea noch ein Geheimtipp war. Eine weitere Holzleiste direkt unterhalb der Windschutzscheibe und ein im mexikanischen Indianerstil gemusterter Polsterstoff, der ausgerechnet "London" heißt, zählen ebenfalls zur noblen Elegance-Ausstattung.

Es gab die C-Klasse auch noch mit den Ausstattungslinien Esprit und Sport. Letztere hätte immerhin etwas breitere Reifen (205/60-15), eine um 25 Millimeter tiefergelegte Karosserie, kein Holz im Cockpit und Sportsitze gebracht. Der Motor eines C 180 Sport wäre mit 122 PS bei gemütlichen 5.500/min jedoch der gleiche geblieben wie in unserem Elegance. Wer mehr Power wünschte, der musste zu Produktionsbeginn einen C 200 (136 PS), C 220 (150 PS) oder gleich einen C 280 (192 PS) bestellen.

Gemächliche C-Klasse mit 122 PS

Nun also 122 PS, die zusammen mit einer Viergangautomatik den immerhin 1.280 Kilogramm schweren Mercedes eher gemächlich in Bewegung versetzen. Der Sitz ist äußerst bequem, die Sicht auf die Straße und auf die Kühlerhaube mit Stern vorbildlich, die Automatik schaltet früh und sanft. Zur überaus luxuriösen Ausstattung mit elektrischem Schiebedach, Fensterhebern, Heckjalousie und mehr passt auch sehr gut der moderne, geradezu flüsternd leise arbeitende Vierventilmotor.

Bei höheren Drehzahlen gesellt sich jedoch zu dem vornehmen Rauschen ein kerniges Knurren hinzu, das ansatzweise an den Dienstwagen von Klaus Ludwig erinnert, der 1994 die Allrad-Alfa besiegen konnte.

Alfa Romeo 155 2.0 Twin Spark, Seitenansicht Foto: Arturo Rivas
Der Alfa Romeo 155 trägt eine Karosserie mit stark ausgeprägter Keilform. Der Umstieg vom Hinterradantrieb des Vorgängers Alfa 75 auf Vorderradantrieb war unter den Fans der Marke sehr umstritten.

Alfa 155 ist näher am DTM-Auto

Im Gegensatz zum gutbürgerlichen Mercedes zeigt unser roter Alfa Romeo 155 2.0 Twin Spark doch einige optische Bezüge zu seinem DTM-Pendant 155 V6 TI: dezenter Frontspoiler und Seitenschweller, Leichtmetallfelgen sowie die vom derzeitigen Besitzer um drei Zentimeter tiefergelegte Karosserie. Allerdings hat es einen Serien-155 mit V6-Motor und Allradantrieb nie gegeben. Der V6 mit 165 PS hatte nur Frontantrieb, während das Allrad-Spitzenmodell Q4 mit 190 PS durch einen Zweiliter-Vierzylinder-Turbo von Fiat befeuert wurde.

Wir begnügen uns jetzt mit Frontantrieb und den 143 PS unseres Zweiliter-Twin-Spark-Modells von 1992. Dessen echter, komplett aus Leichtmetall erstellter Alfa-Motor verfügt über 8 Zündkerzen, nasse Zylinderlaufbuchsen sowie zwei obenliegende, mit Kette angetriebene Nockenwellen. Die Bodengruppe des Alfa Romeo 155 dagegen spendierten die Fiat-Modelle Tipo/Tempra, mit denen der 155 den Radstand gemeinsam hat: 2,54 Meter.

Das erklärt auch die etwas gewöhnungsbedürftigen Proportionen mit dem langen vorderen Überhang und dem hohen kurzen Heck, das trotzdem eine Menge Gepäck aufnehmen kann: 530 Liter - das sind exakt 100 Liter mehr als bei der Mercedes C-Klasse.

Alfa 155 mit flacher Nase

Auf jeden Fall sieht der kantige Alfa Romeo 155 mit seiner flachen und zugleich herausfordernd breit gestalteten Frontpartie ziemlich einzigartig und auf seine Weise auch dynamisch aus. Die geradlinige Optik setzt sich im Innenraum fort, wo sowohl die Türgriffe als auch das Armaturenbrett mit seinen Ablageschalen jeden sanften Schwung vermeiden. Nur der bogenförmige Blendschutz für die Instrumente unterläuft dieses Stilprinzip.

Wie beim Mercedes C180 erlaubt auch im Alfa Romeo 155 die weit nach unten reichende Windschutzscheibe einen guten Blick auf die Straße. Allerdings ist im Italiener vom Fahrersitz aus kein Quadratzentimeter der roten Motorhaube sichtbar. Macht nichts. Denn nach dem ersten Dreh des Zündschlüssels wird einem trotzdem sofort klar, dass man in einer roten Sportlimousine aus Italien sitzt: Der Motor meldet sich mit jenem kehligen Rotzeln, wie eben nur ein Alfa klingen kann.

Alfa 155 ist 3 s schneller auf 100 als der W202

Kupplung und Getriebe des Alfa Romeo 155 lassen sich leichtgängig bedienen. Der Zweiventiler hängt beherzt am Gas und erlaubt ordentliche Fahrleistungen. Mit 9,3 Sekunden für den Standardsprint nimmt er unserem eleganten Automatik-Mercedes rund drei Sekunden ab. Verschärfend kommt hinzu, dass bei flotter Fahrweise die schwäbisch-behäbig agierende C-Klasse uns ein wenig einbremst, während der Alfa zu frohlocken scheint: "Ja, tu es, gib Gas, 6.000/min sind ein Klacks."

Halten wir nach diesem Treffen fest, dass der kantige Alfa Romeo 155 auch ohne DTM-Siege mehr Aufmerksamkeit in der Youngtimer-Szene verdient hätte. Die noch tausendfach vorhandene C-Klasse wird dagegen wie jeder Mercedes ihren Weg zum Klassiker gehen. Das ist so sicher und aufregend wie die Tagesschau um 20 Uhr.

So viel kosten Alfa Romeo 155 und Mercedes C-Klasse

Fangen wir mal ganz unten an: ALfa Romeo 155 und Mercedes C180 gibt es schon für deutlich unter 1.000 Euro in fahrbereitem Zustand. Marktbeobachter Classic-Analytics notiert für Zustand-4-Exemplare zwischen 500 und 1.000 Euro. Beim Alfa 155 ist es dabei egal, welcher Motor an Bord ist. Zwischen dem 1.8 Twin Spark und dem 2.5 V6 liegen nur 100 Euro Preisdifferenz.

Gute Exemplare des Alfa 155 im Zustand 2 kosten 2.900 Euro (1.8 Twin Spark und 1.8 Twin Spark 16V) und 3.100 Euro (155 2.0 Twin Spark). Die Topmodelle 2.0 16V Twin Spark und 155 2.5 V6 liegen bei 3.200 Euro.

Bei der Mercedes C-Klasse der Baureihe W202 gibt es deutlichere Unterschiede: Das Einstiegsmodell C180 liegt im Zustand 2 bei rund 4.000 Euro, der 230 Kompressor bei 4.400 Euro und der C280 bei 4.800 Euro. Sonderfälle sind die Topmodelle der Baureihe, die von AMG veredelt wurden. Der C36 AMG kostet 12.000 Euro (Zustand 4: 4.300 Euro), der C43 AMG sogar 17.000 Euro (Zustand 4: 5.600 Euro).

Mercedes C 180, Heckansicht Foto: Arturo Rivas
Der Mercedes W202 wurde - wie sein Vorgänger auch - von Bruno Sacco gezeichnet. Erstes Anliegen war eine bessere Raumökonomie. Bei nur geringfügig größeren Abmessungen gibt es ein deutlich besseres Platzangebot.

DTM 1993 - Alfa Romeo hielt Wort und siegte

Für die Saison 1993 einigten sich die Teilnehmer der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) darauf, das anspruchsvolle Reglement der Klasse 1 einzuführen. Die fünf Hersteller Alfa Romeo, Audi, BMW, Mercedes und Opel wollten entsprechende Fahrzeuge zum Saisonstart aufbauen. Doch nur einer schaffte es: Alfa Romeo.

Die C-Klasse von Mercedes und der Calibra von Opel waren noch nicht so weit, während Audi und BMW sich aus der DTM zurückzogen, um 1994 mit ihren seriennahen Klasse-2-Tourenwagen den Super Tourenwagen Cup zu bestreiten. Als Gegner für die Allrad-Alfa standen 1993 deshalb nur modifizierte Vorjahreswagen zur Verfügung. Die Italiener gewannen souverän die Meisterschaft.

Ein Jahr später wendete sich das Blatt: Mercedes trat jetzt mit dem neuen, ebenfalls nach Klasse-1-Reglement aufgebauten C-Modell an und besiegte die Alfa-Allradler, die bis 1996 an der DTM/ITC ohne weiteren Titelgewinn teilnahmen.