Alfa 2600 Spider und Giulia Spider

Sechs oder Sport? Hauptsache Alfa!

Als hätten wir es nicht schon gewusst: Ein Alfa Spider ist ein Auto mit einem besonderen Wesen - egal ob es sich um den 2600 oder eine Giulia handelt. Wir sind trotzdem losgefahren.

Alfa Romeo 2600 Spider, Alfa Romeo Giulia 1600 Spider, Frontansicht Foto: Dino Eisele 41 Bilder

Er ist beileibe kein Concours-Modell, der rote Alfa Romeo 2600 Spider. Doch dafür durfte er bereits einiges von der Welt sehen, war bei einem Alfa-Treffen in Skandinavien und natürlich in Italien unterwegs, dazu die vielen Kilometer ungezählter Wochenendausflüge und die regelmäßigen Fahrten von seinem Standort Overath bis ins etwa 30 km entfernte Köln. "Ich bewege dieses Auto so oft wie möglich", erklärt Besitzer Dr. Michael Cramer. Was der Mann an dem großen Spider besonders schätzt? "Es ist diese Würde, die von diesem einstigen Alfa-Flaggschiff ausgeht."

Nur 2.255 Alfa Romeo 2600 Spider wurden bei Touring gebaut

Viele jedoch, denen dieses 1962 präsentierte Modell heute begegnet, scheinen es überhaupt nicht zu kennen - oder haben dessen Existenz zwischen all den Giuliettas, Giulias und Bertones ganz einfach vergessen. Ein Grund dafür könnte die geringe Stückzahl des Alfa Romeo 2600 Spider mit der eleganten und zum Teil noch von Hand gefertigten Karosserie sein: Nach 2.255 Exemplaren endet die Produktion bereits wieder im Jahr 1965, weil der Karosserielieferant Touring nach einem geplatzten Großauftrag des englischen Roots-Konzerns über Nacht pleite ist und die Tore endgültig schließen muss.

"Heute dürften in Deutschland kaum mehr als 40 oder 50 Exemplare dieses eleganten Cabrios zu finden sein", schätzt Alfa-Spezialist Hartmut Stöppel aus Bonn, der am Steuer des grünen Alfa Romeo Giulia Spider sitzt.

Alfa Giulia folgt auf Giulietta

Giulia. Klar, ein Name wie in Stein gemeißelt, den wohl jeder kennen dürfte, der auch nur am Rande etwas mit (alten) Autos zu tun hat oder in den 60er- und 70er-Jahren nicht völlig gedankenlos am Verkehr teilgenommen hat. 1962 vollzieht Alfa den Übergang von der Giulietta zur Giulia, ohne dabei jedoch die Modelle äußerlich nennenswert zu verändern. Man muss schon sehr genau hinschauen, um den Alfa Romeo Giulia Spider von seinem Vorgänger, der Giulietta-Baureihe (Serie 101), zu unterscheiden.

"Der neue Spider besitzt eine Wölbung in der Motorhaube, die an der vorderen Kante einen Lufteinlass vortäuscht", erklärt Stöppel die auf den ersten Blick augenscheinlichste Änderung im zeitlosen Pininfarina-Kleid mit dem aufregenden Hüftknick in den hinteren Kotflügeln. Diese Maßnahme sei erforderlich gewesen, um die höherbauende 1,6-Liter-Maschine im Alfa Romeo Giulia Spider unterzubringen, so der Spezialist. Dem Ruf nach mehr Leistung konnte sich Alfa natürlich nicht entziehen: Mit 92 anstelle der vormals 80 PS aus 1,3 Litern Hubraum war man fürs Erste wieder auf der Höhe der Zeit.

Ein neuer Sechszylinder

Auch der große Alfa Romeo 2600 Spider von Dr. Michael Cramer ist auf den ersten Blick von seinem bereits 1957 vorgestellten Vorgänger Alfa Romeo 2000 Spider nur im Detail zu unterscheiden. Bei ihm fehlen die Haifischkiemen in den vorderen Kotflügeln, und die beiden kleinen Lufthutzen in der Haube sind zu einer großen verschmolzen. Die entscheidende Veränderung befindet sich wie bei der Giulia ebenfalls unter der Motorhaube - doch in diesem Fall handelt es sich nicht nur um eine Vergrößerung des Hubraums, sondern um eine vollkommen neue Maschine.

Die war laut Alfa-Chef Dottore Giuseppe Luraghi dringend erforderlich, weil das bis dahin im Alfa Romeo 2000 Spider verbaute 115 PS starke 1.975-cm3-Vierzylinder-Aggregat aus der 1900 Berlina für das erklärte Spitzenmodell der Marke inzwischen überfordert schien. Um es im Prestigeduell mit der Konkurrenz aufnehmen zu können, sind mehr Hubraum und vor allem ein Sechszylinder gefordert.

3 Doppelvergaser sorgen für 145 stramme PS

Chefkonstrukteur Orazio Satta Puliga könnte zwar für den Alfa Romeo 2600 Spider auf einen Dreiliter-Sechszylinder zurückgreifen, den er bereits Anfang der 50er-Jahre konstruiert hatte, der dann aber aus Kostengründen doch nicht für eine Serienproduktion infrage gekommen ist. Nur einmal durfte dieses Triebwerk beweisen, wozu es in der Lage ist: als Kraftquelle für jenen 6 C 3000 CM "Disco Volante", der während der Mille Miglia im Jahr 1953 von Juan Manuel Fangio gesteuert wird und Platz zwei belegt.

Doch nun nutzt Puliga die Gelegenheit, um ein vollkommen neues Triebwerk zu entwerfen, wobei er sich stark an seiner genialen Giulietta-Konstruktion mit zwei obenliegenden Nockenwellen orientiert. Das neue 2,6-Liter-Triebwerk verfügt obendrein über einen Block aus Leichtmetall mit nassen Laufbuchsen sowie eine siebenfach gelagerte Kurbelwelle und leistet dank dreier Solex-Doppelvergaser im Alfa Romeo 2600 Spider und im Sprint der 2600-Baureihe 145 PS. Einzig die Berlina-Version muss sich mit zwei Fallstrom-Doppelvergasern und 15 PS weniger Leistung zufriedengeben.

Der neu erstarkte Alfa Romeo 2600 Spider trägt - anders als sein 2000er-Vorgänger - erstmals servounterstützte Scheibenbremsen an der vorderen Achse, während es hinten im ersten Produktionsjahr noch bei Trommelbremsen bleibt. Im Oktober 1963 rüstet Alfa das Nobel-Cabrio schließlich komplett auf Scheibenbremsen um.

Alfa Romeo 2600 Spider, Alfa Romeo Giulia 1600 Spider, Frontansicht Foto: Dino Eisele
Die beiden Spider liefen parallel von 1962 bis 1965 vom Band, vom 2600 Spider wurden 2.255 Exemplare gebaut, vom Giulia Spider mehr als vier mal so viel: 9.250 Einheiten.

Viel Platz und Komfort im 2600 Spider

Abfahrt im Alfa Romeo 2600 Spider, der eigentlich ein 2+2-Sitzer sein soll, doch in Wahrheit in der zweiten Reihe bestenfalls Platz für weiteres Reisegepäck bietet. Vorne hingegen herrscht ein wahrhaft üppiges Platzangebot, sodass selbst groß gewachsene Piloten mühelos einsteigen und auf den breiten und bequemen Sitzen Platz nehmen können. Der Blick fällt sofort auf vier Rundinstrumente, von denen die beiden größeren in der Mitte Geschwindigkeit und Drehzahl anzeigen und die kleineren jeweils rechts und links über Wasser- und Öltemperatur, Öldruck und Kraftstoffstand informieren. Das Radio sitzt rechts außen und wegen der großen Fahrzeugbreite fast schon außerhalb der Reichweite des Fahrers.

Automatisch sortieren sich die Füße auf den breiten stehenden Pedalen, greift die rechte Hand zum Zündschlüssel rechts von der Lenksäule. Der Sechszylinder des Alfa Romeo 2600 Spider braucht nicht viel Überredung, um seine Arbeit aufzunehmen, verlangt allerdings im kalten Zustand nach einem gefühlvollen Gasfuß.

Ab Standdrehzahl dreht der Reihensechser gleichmäßig hoch

Souverän setzt sich der Alfa Romeo 2600 Spider im nächsten Moment in Bewegung, während der Fahrer über eine riesige Motorhaube hinweg auf die Straße blickt. So viel Blech über dem Bug signalisiert fast schon automatisch ausreichend Leistung für jede Lebenssituation, was in diesem Fall dann auch durchaus zutrifft: Dieser Sechszylinder entfaltet seine Kraft ab 1.000 Touren gleichmäßig und mit einer fast schon turbinenartigen Laufruhe durch den gesamten nutzbaren Drehzahlbereich.

Ab etwa 4.000 Umdrehungen kommt reichlich Temperament ins Spiel, und erst bei 7.000 Touren geht diesem Triebwerk allmählich die Luft aus. "Dieser Wagen schwimmt heute noch locker durch den Verkehr", schwärmt Besitzer Michael Cramer von den Fahreigenschaften seines Alfa 2600.

Doch für wirklich sportliche Manöver auf engen Landstraßen eignet sich dieses viereinhalb Meter lange Cabrio weniger, und dafür wurde es mit seinem weichen, komfortbetonten Fahrwerk einst wohl auch nicht konzipiert. In seinem Wesen bleibt der Alfa Romeo 2600 Spider ein schneller Reisewagen, ein offener Tourer im besten Sinne des Wortes. "Dank des großen Kofferraums eignet sich dieses Auto perfekt für lange Reisen zu zweit", ergänzt Cramer.

Ein sportliches Wesen

Im direkten Vergleich erscheint die Alfa Romeo Giulia Spider aus dem Jahr 1962 wie ein komplett anderes Auto. Sie ist 60 Zentimeter kürzer und elf Zentimeter schmaler, im Innenraum geht es entsprechend enger zu - man könnte auch sportlicher dazu sagen, weil die Sitze flacher eingebaut sind und man sich als Fahrer, eingeklemmt zwischen Tür und der Schulter des Nachbarn, über spürbar mehr Seitenhalt freuen darf, als es im 2600 der Fall ist.

Selbst die Anordnung der drei großen Rundinstrumente scheint aus dem Motorsport zu stammen: Die 1600er-Giulia trägt ihren Drehzahlmesser in der Mitte, der Tacho hingegen sitzt rechts davon, während sich links die Anzeigen für den Tankinhalt, Wasser- und Öltemperatur sowie für den Öldruck befinden. Und auch das Zündschloss sitzt beim Alfa Romeo Giulia Spider in bester Motorsporttradition links von der Lenksäule (wir erinnern uns kurz an das Startprozedere des 24-Stunden-Klassikers von Le Mans: Die linke Hand startet den Motor, während die rechte gleichzeitig den Gang einlegt).

Giulia mit Jahrhundertmotor

Wie im 2600 arbeitet auch in der Alfa Romeo Giulia Spider ein gut abgestuftes Fünfganggetriebe, welches dieser außergewöhnlich elastische Jahrhundertmotor mit seinen beiden obenliegenden Nockenwellen eigentlich überhaupt nicht nötig hätte, weil er in jeder Lage über genügend Kraft verfügt. Der Spaß beginnt bereits bei 1.500 Touren, und jenseits der 6.000er-Marke klingt dieser famose 1600er-Vierzylinder obendrein auch noch wie ein waschechter Rennmotor. Wie weit Alfa in den 50er- und 60er-Jahren der automobilen Entwicklung voraus war, überrascht jedes Mal aufs Neue.

Spielerisch lässt sich der Alfa Romeo Giulia Spider mit seiner direkten Lenkung recht flott über die kleinen und noch kleineren Straßen im Bergischen Land zwischen Troisdorf und Overath bewegen. Eine Kurvenkünstlerin, der man im ersten Moment nicht einmal anmerkt, dass sie rundum nur Trommelbremsen trägt. Erst im Modelljahr 1964 wurde der kleine Spider vorn mit Scheibenbremsen versehen. Egal, es zählt ohnehin nur das, was am Ende in Erinnerung bleibt - in diesem Fall ein grundehrliches Fahrgefühl.

Doch auch der offene Alfa Romeo Giulia Spider ist trotz seines großen Namens offensichtlich für viele ein unbekanntes Auto. Ohne Logo und den typischen tief nach unten gezogenen Kühlergrill, den Scudetto, hätten manche dieses Modell wohl nicht einmal als Alfa erkannt.

Alfa Romeo 2600 Spider, Seitenansicht Foto: Dino Eisele
Die Gestaltung des des Alfa Romeo 2600 Spider stammt von Carrozzeria Touring.

So viel kosten Alfa Romeo 2600 Spider und Giulia Spider

Der Marktbeobachter Classic-Analytics notiert einen Alfa Romeo 2600 Spider im Zustand 2 mit 63.000 Euro, im mäßigen Zustand 4 kostet er rund 23.000 Euro. Der Alfa Romeo Giulia Spider liegt mit 42.000 Euro für ein gepflegtes Exemplar im Zustand 2 deutlich darunter. Zustand-4-Exemplare werden für rund 16.000 Euro gehandelt.

Alfa Romeo Giulia 1600 Spider, Seitenansicht Foto: Dino Eisele
Der Alfa Romeo Giulia Spider wurde von Pininfarina gezeichnet.