Alfa 2000 GTV, Ford Capri 2600 GT und MGB GT
3 elegante Sportcoupés der 70er im Fahrbericht
Als Alfa Romeo vor 46 Jahren den 2000 GT Veloce präsentiert, zählen der Ford Capri 2600 GT und der MGB GT bereits zu den festen Größen im Kreis der Sportcoupés. Wir haben diese drei heute noch einmal zu einer Ausfahrt eingeladen.
30.08.2019 Michael SchröderHeute stehen sie sich noch einmal gegenüber. Belauern sich, schauen sich dabei nicht weniger herausfordernd in die Augen – Verzeihung: Scheinwerfer –, als es einst zu Beginn der 70er-Jahre hätte der Fall sein können. Damals, als Alfa Romeo in der Tourenwagen-Klasse eine echte Größe war, Ford erstmals für einen Hauch von Muscle-Car-Flair auf Deutschlands Straßen sorgte und MG im regenreichen Königreich für das B-Modell die Vorzüge der Coupé-Form gegenüber der eines zugigen Roadsters erkannt hatte. Selbst während eines braven Fototermins liegt ein Hauch von Wettbewerb in der Luft, aber womöglich muss es so sein, wenn drei Sportwagen – in diesem Fall ein Alfa Romeo 2000 GT Veloce, ein Ford Capri 2600 und ein MGB GT – aufeinandertreffen.
Bleiben wir für einen Moment in den Siebzigern, genauer: im Jahr 1971. Der 2000 GT Veloce wäre brandneu gewesen, er hätte 16.490 Mark gekostet, während unser dunkelgrüner Capri I kurz vor der Einführung der zweiten Serie bereits für 10.950 Mark zu haben gewesen wäre. Und der weiße MGB GT? Der schlug 1971 mit rund 15.000 Mark zu Buche. Für diese Summe hätte es übrigens auch drei VW 1200 gegeben, aber der Genuss eines Sportwagens ist bekanntermaßen schon immer aufpreispflichtig gewesen, selbst wenn diese weder stärker noch schneller waren als so manche ordentlich motorisierte Limousine. Gerade der MGB GT musste diesbezüglich bereits 1967 viel Kritik von auto motor und sport-Tester Manfred Jantke einstecken: „Mit dem Gewicht einer viertürigen Limousine und einem braven Stoßstangenmotor ausgerüstet, fährt der enge Zweisitzer hubraumschwächeren und billigeren Sportwagen eindeutig hinterher.“
Dass heute jedoch weder sportliche Höchstleistung noch Fahrwerte eine Rolle spielen, sei an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt. Der Tag soll vielmehr zeigen, wie unterschiedlich die automobilen Philosophien in Norditalien, am Rhein und auf den Britischen Inseln waren. Damit es trotz aller gebotenen Vorsicht nicht doch noch zu Rangeleien kommt, bestimmt das Alphabet die Reihenfolge des Auftretens der drei Kandidaten.
Eine Form für die Ewigkeit
Also: A wie Alfa. Der 2000 GT Veloce wartet bereits mit warm gefahrenem Motor, ein bildhübsches und zudem unrestauriertes Exemplar aus dem Jahr 1972. Doch einsteigen und einfach losfahren, nein, das funktioniert in diesem Fall nicht, weil die Augen zuerst einmal schauen wollen. Formal ist der 2000 GTV ein alter Bekannter geblieben – von der 1963 präsentierten Giulia Sprint GT, dem ersten Modell mit der von Giorgetto Giugiaro bei Bertone gezeichneten 2+2-sitzigen Coupé-Karosserie, unterscheidet sich unser Fotomodell streng genommen nur in einigen wenigen Details.
Die auffällige Kante im Blech, die vor der Motorhaube quer über den Bug verlief und dem Auto gleich zu Beginn den Namen Kantenhaube einbrachte, war je nach Modell bereits zwischen 1967 und 1970 zugunsten einer glatten Front geändert worden (mit Einführung der sogenannten Rundhaube hat Alfa zudem auch den Vornamen Giulia für die Sportcoupés gestrichen). Und: Die Doppelscheinwerfer zierten schon das vorherige Spitzenmodell, den 1750 GTV. Zu den wirklich neuen Äußerlichkeiten am 2000er zählen ein verchromter Kühlergrill sowie größere Heckleuchten.
Hand aufs Herz: Was hätte man auch verbessern sollen? Dieses feingliedrige Coupé hat bis heute wahrhaftig nichts von seiner Faszination verloren. Von den oberen Kanten in den vorderen Kotflügeln bis zum abfallenden Heck, das stets an das eines schnittigen Bootes erinnert, trifft diese Linie einen mit voller Wucht.
Der GTV – eindeutig ein Sportler
Die Begeisterung hält im Innenraum an. Man sitzt tief und bequem, spürt bereits im Stand, dass für ausreichend Seitenhalt gesorgt ist. Der Blick fällt gleich darauf auf Drehzahlmesser und Tacho, die in ihrer Mitte nun zwei kleine Instrumente für Tankanzeige und Wassertemperatur tragen, die zuvor in der Mittelkonsole ihren Platz hatten. Die rechte Hand landet wie von selbst auf dem schrägen lederumhüllten Schaltstock, der – so fühlt es sich zumindest an – ohne Umwege ins Getriebe führt, die linke umfasst den Holzkranz eines tiefgeschüsselten Lenkrads. Ein Sportwagen, eindeutig.
Der GTV rollt an, das kräftige, sonore Brummen des bis dahin größten und komplett aus Leichtmetall gefertigten Serien-Vierzylinders von Alfa Romeo weckt sofort Begehrlichkeiten – nicht zuletzt, weil man weiß, dass er in seinem Grundlayout von den Grand-Prix-Triebwerken der 30er-Jahre abstammt. Auch wenn der Lobgesang auf diesen Doppelnocker schon oft angestimmt wurde – der Autor dieser Zeilen kann nicht anders, als ein weiteres Mal darauf hinzuweisen, wie grandios dieses 131 PS starke Zweiliter-Aggregat zur Sache geht.
Die langhubige Maschine reagiert spontan auf jede Gaspedalbewegung, legt eine geradezu verblüffende Durchzugskraft an den Tag und klingt dabei nach oben hinaus so angriffslustig wie ein Rennwagen. Es kann durchaus sein, dass man hinter diesem Steuer immer ein wenig schneller unterwegs ist als eigentlich erforderlich. Das von der Giulia geerbte Fahrgestell passt perfekt zum Wesen des Bertone. Kurven können dem leichten Coupé nur wenig anhaben, und Kurswechsel lassen sich spielerisch mit zwei Fingern am Lenkrad erledigen. Und sollten schlimmstenfalls doch einmal alle vier scheibengebremsten Räder gleichzeitig abzudriften drohen, genügt eine kleine Korrektur. Nicht viele Autos sind so leicht beherrschbar wie ein Alfa Romeo 2000 GT Veloce.
Capri: Günstiger Preis, starke Optik
Was tun, wenn man sich nach Leistung sehnt, aber das Geld nicht für einen vergleichsweise teuren Alfa GTV reichte? Die Antwort lautete in nicht wenigen Fällen Ford Capri 2600 GT, dessen günstiger Preis das stärkste Argument für diesen Familiensportler war – neben dessen cooler Optik selbstverständlich. Im Vergleich zum Bertone übernimmt der dunkelgrüne 2600 GT XL aus der Sammlung des Capri-Spezialisten Tilo Rögelein die Rolle des Machos, weil er breiter und muskulöser daherkommt und mit seinem langen Bug und dem Stummelheck über klassische Sportwagenproportionen verfügt. Die Verwandtschaft zum amerikanischen Ford Mustang lässt sich aus keiner Perspektive leugnen (obwohl er seine Wurzeln in England hat und seine Basis kein Falcon wie beim Mustang, sondern der Ford Cortina ist): Vom großen US-Vorbild stammt jedoch die ausgeprägte Sicke vor den Hinterrädern, in die zwei Ziergitter eingelassen sind. Ja, der Capri lebt von seiner Form. Und von seiner Unverwechselbarkeit.
Diese ließ sich jedoch weiter steigern – mit einer schier endlosen Zubehörliste, so wie es auch beim Mustang bereits sehr gut funktioniert hatte. Kunden können bereits direkt nach der Capri-Einführung im Januar 1969 zwischen fünf Ausstattungspaketen wählen und durch eine Vielzahl von aufpreispflichtigen Gimmicks ihr Auto ab Werk quasi als Einzelstück ordern.
Ein Auto aus dem Baukasten
Technisch hingegen ist so ein Capri ein simpler Kerl. Er verfügt weder über brillant konstruierte Motoren noch über ein aufwendig aufgebautes Fahrwerk, er bleibt ein Volumenauto aus dem großen Ford-Baukasten mitsamt einer blattgefederten Starrachse und den gusseisernen Motoren. Zu Beginn stehen jedoch gleich drei V4 aus dem 12M/15 M P6 zur Auswahl – mit 1.300, 1.500 und 1.700 Kubik. Die V-Sechszylinder kommen ab 1969 zum Einsatz, zuerst mit 2,0 und 2,3 Liter, ihr gemeinsames Erkennungsmerkmal ist der Buckel auf der Haube. Dieser ziert selbstverständlich auch unser Fotomodell mit der 1970 erstmals verbauten 125 PS starken 2,6-Liter-Maschine.
Als GT XL hat er sich innen obendrein auch ziemlich fein gemacht. Die Instrumententafel präsentiert sich holzgemasert und trägt neben Tacho und Drehzahlmesser vier weitere kleinere Rundinstrumente für Öldruck, Wassertemperatur, Tankinhalt und Batterie-Ladezustand. In der ebenfalls furnierten Mittelkonsole befindet sich eine Uhr, und der kurze Schalthebel steckt – wie beim Alfa – in einer Ledermanschette.
Der bullige Graugussklotz beschleunigt mächtig aus dem Drehzahlkeller, fühlt sich zwischen drei- und viertausend Touren fühlbar am wohlsten. Lässiges und schaltfaules Fahren liegt diesem leise und vibrationsarm laufenden Triebwerk mehr als hochtourige Hektik. Wobei es sich nicht um einen echten V6, sondern technisch um einen Boxer handelt, weil jeder Pleuel auf einem eigenen Hubzapfen sitzt.
Der Spaß, den diese Maschine einem Fahrer bereitet, erhält dort, wo die Straße uneben ist, jedoch einen leichten Dämpfer. Da, wo der Alfa entspannt seine Spur zieht, versetzt der Capri mit seiner einfach gestrickten starren Blattfederachse. Nicht schlimm, aber spürbar. In einem großen Capri-Test in auto motor und sport empfahl Hans-Hartmut Münch bereits 1970 die Umrüstung auf Gasdruckdämpfer, um das Fahrverhalten nachhaltig zu verbessern.
Nun zum MGB GT, Jahrgang 1969, in dem man sich auf sympathische Art und Weise noch ein paar Jahre weiter in die Vergangenheit versetzt fühlt, als es beim Alfa oder dem Ford der Fall ist. Das schicke, von Pininfarina gezeichnete Fastback-Coupé wird 1965 präsentiert, seine Konstruktion basiert jedoch auf dem bereits zwei Jahre zuvor vorgestellten MGB. Wie wenig MG am technischen Wesen seines einstigen Bestsellers im Laufe einer 15-jährigen Produktionszeit verändert hat, zeigt unser Fotomodell bereits im Ansatz: praktisch nichts. Ein Vorwurf an den weißen MGB GT Mk II, Jahrgang 1969? Ganz im Gegenteil. „Gerade dieses pure und unverfälschte Fahrgefühl macht jede Fahrt in diesem Auto zum Genuss“, schwärmt Besitzer Sven von Boetticher aus Stuttgart.
Cockpit mit Sicherheitskissen im Engländer
Das Cockpit mit seinen klassisch-schönen Rundinstrumenten und dem gelochten Dreispeichenlenkrad entlarvt diesen GT als ein für die USA produziertes Modell. Als Antwort auf dortige neue Sicherheitsgesetze verbaute MG im Roadster wie im Coupé eine massiv gepolsterte Armaturentafel mit dem Spitznamen „Abingdon-Kissen“.
Der 1,8 Liter große gusseiserne Stoß- stangen-Vierzylinder der British Motor Corporation mit untenliegender Nockenwelle klingt bereits im Standgas rauer und rotziger als seine Kontrahenten. Souveräne 95 PS und jede Menge Drehmoment bereits knapp über Standgas – die Coolness, mit der dieser knurrende Brocken zur Sache geht, begeistert ab dem ersten Meter. Was natürlich auch an dieser Schaltbox liegt. Ein Hebel, so kurz wie ein Joystick, der direkt ins Getriebe greift. Noch kürzer und trockener Schalten? Schwer vorstellbar.
Raus aufs Land. Erster Eindruck: Die blattgefederte hintere Starrachse leitet jede Unebenheit ungefiltert ins Cockpit. Dass dieser Engländer dennoch ziemlich unverrückbar auf der Straße klebt, ist eine Offenbarung. Für schnelle Fahrmanöver sind allerdings Lenkkräfte wie am Ruder eines Dreimasters nötig. Und auch das rechte Bein muss ziemlich hart ran, um eine gewisse Bremswirkung zu erzielen. Fahren in einer sehr ursprünglichen Form – manche würden auch typisch britisch dazu sagen. Als Heilmittel gegen automobile Langeweile geht der MGB GT auf jeden Fall durch – diese Disziplin beherrschen auch der Alfa und der Ford nahezu perfekt.