8. Sachsen Classic

Die Oldi-Rallye durch den schönen Osten

Die achte Ausgabe der Sachsen Classic erhielt ein Facelift. Eine neue Route führte durch Vogtland und Erzgebirge. Neue Teilnehmer und Autos frischten das knapp 200 Teams starke Starterfeld auf.

Da muss man doch einfach neidisch werden: Ellen Lohr mit ihrem Subaru Legacy. Ständig umlagern vor dem Start in Zwickau Journalisten und TV-Teams die Rennfahrerin und ihren blauen Rallye-Allradler. Sie lehnt sich mal lässig an die Motorhaube oder spricht vom Fahrersitz aus in die laufende Kamera. Okay, sie hat bisher als einzige Frau ein hartes DTM-Rennen gewonnen und ist zuletzt in Silverstone mit einem Lamborghini Gallardo GT3 aufs Treppchen gefahren - aber etwas mehr Beachtung hätte unser beigefarbener VW Käfer von 1969 schon verdient. Immerhin ist es für das Motor-Klassik-Team Hudek/Färber genauso eine Sachsen-Classic-Premiere wie für Frau Lohr. Wo bleiben bloß die Kameras?

Sachsen Classic mit individuellen Teilnehmern

Trotzdem lassen wir uns die Stimmung nicht vermiesen. Denn für dieses Jahr sind uns für die Sachsen Classic eine neue Route, neue Teilnehmer und auch einige neue Autos versprochen worden, die bislang auf Sachsens Rallye-Pisten nicht zu sehen waren. Zum Beispiel der 76er Cadillac Eldorado von Hannes Streng und Philipp Müller, der vor allem durch seine imposante Länge von 5,6 Meter und das breite, kantige Cadillac-Gesicht aus dem Feld der Rallye-Autos heraussticht.

Fahrer und Besitzer Streng hat das Cabrio mit dem 8,2-Liter-V8 erst vor wenigen Wochen aus Greenville/South Carolina importiert und in Deutschland zugelassen. Besonders stolz ist Streng auf die "Parade Boots", eine etwas kompliziert zu montierende Persenning, auf der Mädchen oder heimgekehrte Weltraumfahrer während einer Parade Platz nehmen konnten. Das Faltdach bleibt daher ständig geöffnet, weshalb das Caddy-Team während der Anreise zur Sachsen Classic aus Franken einigen Regengüssen ausgesetzt war.

200 Autos und rund 30 Motorrädern nahmen bei der Sachsen Classic

Auch am Morgen zum Start der ersten Rallye-Etappe der Sachsen Classic ziehen noch graue Wolken über den Platz der Völkerverständigung in Zwickau, wo sich zum ersten und zum letzten Mal das komplette, aus beinahe 200 Autos und rund 30 Motorrädern bestehende Rallye-Feld einfindet. Der Grund ist die um 10.30 Uhr angesetzte Sachsen Classic Fahrerbesprechung im modernen Haus der Sparkasse, die für alle knapp 400 Rallye-Teilnehmer Pflicht ist.

Bei den späteren Starts und Zielankünften zieht sich dagegen das im Halbe-Minuten-Takt gestartete Feld vom ersten bis zum letzten Fahrzeug um knapp eineinhalb Stunden auseinander. Entsprechend groß ist der Andrang auf dem Platz der Völkerverständigung, wenn alle Autos versammelt sind, darunter auch Ellen Lohrs blauer Subaru. Volkstümliche Musik erschallt aus den Lautsprechern, Bratwurstdüfte schwängern die Luft, und Hunderte von Zuschauern umringen die Rallye-Autos, von denen eigentlich nur eines sichtbar bleibt: der Laurin & Klement 300 Rennwagen aus dem Jahr 1920.

Vergessene Autos bei der Sachsen Classic

Die gelbe Motorhaube, das Sitzbank-Sofa und das Benzinfass des Skoda-Vorläufers sind nicht zu übersehen. Die enorme Bodenfreiheit des rustikalen Renners ließe sogar eine Teilnahme an der Rallye Dakar zu. Das optische Gegenstück zum extrem auffallenden Laurin & Klement-Veteranen bildet ein auf den ersten Blick völlig unscheinbarer, silberner Opel Astra GT/E von 1984, den man beim Flanieren wie eine Cola-Dose zufällig mit dem Schuh trifft. Doch dann scheppert‘s im Gehirn: Mensch, den hat man doch komplett vergessen, der letzte Kadett und der erste Opel mit Frontantrieb - nur die Plastik-Radkappen vom Baumarkt sehen ziemlich billig aus.

Andreas Kuhlmann, Fahrer, Besitzer und Restaurator des seltenen Opel-Sportlers, klärt uns auf: "Das sind die originalen Alu-Felgen im Aero-Design von damals, deren Optik dann zum Vorbild für die späteren Kunststoff-Radabdeckungen wurde." Mit oder ohne Alu-Räder - auch der Kadett GT/E ist ein Sachsen-Classic-Newcomer.

Die Sonne geht auf bei der Sachsen Classic

Jetzt rollt die Sachsen Classic Rallye, mittendrin der VW Käfer von 1969 des Motor-Klassik-Teams. Das Wetter wird Stunde um Stunde sonniger, und ein weiteres Handicap des VW-Renners mit der Startnummer 42 offenbart sich: Es gibt keine Sonnenblenden, was fast so schwer wiegt wie das Fehlen des Tageskilometerzählers, der bei einer Rallye ziemlich wichtig ist. Immerhin kann das Sachsen-Classic-Ersttäter-Team, für das hier alles neu ist, mit diesen Beeinträchtigungen sein voraussichtlich mäßiges Abschneiden entschuldigen.

Doch zunächst ist Fahrspaß angesagt, besonders während der Gleichmäßigkeitsprüfung auf dem Sachsenring, dessen komplizierter Streckenverlauf einem im Nudelsieb hängengebliebenen Spaghetti gleicht. Das zweimal in der von uns vorgegebenen Zeit zu durchfahrende Ziel taucht immer sehr unerwartet auf. Wir belauern es deshalb im Mofa-Tempo wie die Katze das Mäuseloch - und dann geht es in einem Vollgas-Satz sekundengenau drüber.

Schlechte Zeit bei maximalem Spaß

Die vielgerühmte Rallye-Begeisterung der sächsischen Bevölkerung und die fast schon legendäre Streckenführung mitten durch die Städte lernen wir in Glauchau kennen. Der sich innerorts wie immer durch ein Menschenspalier bewegende Rallye-Tross steckt auf dem Weg zum historischen Markt fest. Nach dem Stop and Go durch die Fußgängerzone hoppeln wir über das Pflaster des viel besuchten Marktplatzes, wo uns weder die Stempelkontrolle noch die "Geisterfrau" im weißen Kapuzenumhang lange aufhalten.

Dafür der gut gelaunte Streckensprecher mit seinen ausführlichen Auto-Kommentaren, die wir mit durchgedrücktem Gaspedal hinter uns lassen. Der Stau in Glauchau gibt uns die Lizenz zum, sagen wir mal: flotteren Fahren, damit wir die nächste Zeitkontrolle rechtzeitig ereichen. Der VW Käfer gibt sein Bestes. Wir drehen die Gänge aus, dass im Heck der luftgekühlte Boxer nur so rauscht und rumpelt - und erreichen die Zeitkontrolle am Zwickauer August Horch Museum dennoch mit deutlicher Verspätung. Zum Glück annulliert die Rallye-Leitung diese Zeitkontrolle - nicht jedoch den großen Spaß, den wir unterwegs hatten.

Flora und Fauna bei der Sachsen Classic

Zweiter Rallye-Tag. Nach der Schleife Zwickau - Zwickau führt in diesem Jahr eine neue Sachsen Classic-Route durch das Vogtland. Über Plauen, Bad Elster und Johanngeorgenstadt geht es nach Oberwiesental. Das Roadbook leitet uns auf einspurige Asphaltsträßchen, die fast schon einfühlsam auf Grasnabenhöhe den sanften Hügeln und Tälern folgen. Wir durchqueren unzählige kleine Dörfer. In Gospersgrün begegnet uns eine am Bachufer angekettete Kuh, deren Bewegungsradius zentimetergenau bis zur Straße reicht und uns fast zu Tode erschreckt.

Willkommene Mittagspause im mondänen Bad Elster, das schon Johann Wolfgang von Goethe besucht hat, und das 1848 zum Königlich-Sächsischen Staatsbad erklärt wurde. Königlich ist auch der Empfang für die Rallye-Teams: Im Albert-Park herrscht unter strahlender Sonne eine fast schon mediterrane Atmosphäre, die "Swinging Dixie Union" aus Plauen und Umgebung spielen "Take the ‚A‘ Train", und im palastartigen Kurhaus gibt es ein kräftiges Mittagessen. Auf dem Weg zu unserem Käfer bewundern wir wieder das große, dunkelrote Mustang Cabrio, das von zwei schlanken Blondinen mit würdevoller Umsicht bewegt wird.

Sachsen Classic ist vorkriegstauglich

Gerade rangiert die Fahrerin den Mustang mit der Gelassenheit eines erfahrenen Sportboot-Kapitäns rückwärts in eine Parklücke. Der Start zum dritten und letzten Sachsen Classic-Rallye-Tag erfolgt diesmal in Oberwiesental, der mit 914 Meter höchst gelegenen deutschen Stadt. Mitten im Erzgebirgsort auf dem baumgekrönten Marktplatz warten bereits am frühen Morgen die ersten Teams hinter der Startrampe. Noch Zeit genug, um sich bei den Vorkriegs-Kämpfern umzuhören.

Frage an Georg Weidmann, der einen prächtigen Bentley 4,5 Liter mit geschätzten drei Meter Radstand fährt, wie es denn mit dem Fahrkomfort so wäre; einige Nebenstraßen waren gestern doch sehr holprig. "Der Bentley", lautet die Antwort, "stammt aus einer Zeit, in der die Straßen noch in einem schlechteren Zustand waren. Er federt also ganz ordentlich." Enge Kurven machten etwas Probleme, aber die Sachsen Classic sei dennoch voll Vorkriegs-tauglich.

Speed abbauen neben der Bobbahn

Bis Dresden bleiben auf der touristisch wieder hoch interessanten Route vor allem zwei Zwischenziele in lebhafter Erinnerung: Die Saigerhütte von Olberhau/Grünthal und die moderne Bobbahn von Altenberg, auf deren Gelände sogar jeweils eine Wertungsprüfung stattfand. In dem ummauerten, 1537 gegründeten Wohn- und Werkstätten-Komplex der Saigerhütte entstand das begehrte Dachkupfer für Bauten wie den Dresdner Zwinger oder den Stephansdom in Wien.

Und auf der 1.413 Meter langen Altenberg Bobbahn mit 320-Grad-Kreisel fanden schon mehrfach Bob-, Rodelund Skeleton-Weltmeister schaften statt. Auch die die Sachsen Classic-Rallye-Autos mussten hier während der Bergabfahrt auf der steilen Wartungsstraße neben der Bob-Röhre ihr Bestes geben - nicht um Speed auf- sondern abzubauen.

Mädels im Mustang begeistern

Ankunft in Dresden unter sengender Sonne. Schon den Zufahrts- und Promenaden-U-Turn vor der Gläsernen Fabrik säumen Hunderte von Zuschauern. Und dann rollen sie über die Zielbrücke vor dem Eingang in den Phaeton-Glaspalast, die beiden blonden Mädchen im dunkelroten, dumpf grollenden Mustang. Streng und aufrecht sitzen sie im großen V8-Cabrio. Dass sie in zweieinhalb Tagen 639 Kilometer zurücklegten, sieht man weder dem Auto noch den Insassen an. Alle drei sehen so fantastisch gut aus wie beim Start in Zwickau. Und sie machen das zum ersten Mal, sind ebenfalls völlig neu hier.

Die beiden Lauras - Laura Stock und Laura-Ann Schmidt - berichten, dass sie nur als Ersatzmannschaft für das Team Tesa eingesprungen sind. "Eigentlich wollten wir die Sache relaxed angehen. Als wir aber nach den ersten Wertungsprüfungen gar nicht so schlecht unterwegs waren, hat uns doch der Ehrgeiz gepackt." Der wird sogar belohnt: Die beiden Studentinnen landen auf dem respektablen Platz 71 bei der Sachsen Classic.

Ausfall für Ellen Lohr bei der Sachsen Classic

Großes Pech hatte dagegen Ellen Lohr. Zusammen mit ihrem Copiloten Simon Stefani fuhr sie am ersten Tag im Subaru noch auf Platz 37, musste jedoch am dritten Tag wegen Kupplungsschaden aufgeben. Spaß hat es trotzdem gemacht: "Die ausgewählte Route war sehr abwechslungsreich. Und überall diese begeisterten Zuschauer, obwohl wir mit unserer hohen Youngtimer-Startnummern stets als Letzte unterwegs waren." Das kann nur bedeuten: Auf ein Neues im Jahr 2011.