75 Jahre Unimog
Jubiläum für das universale Motor-Gerät
Vor 75 Jahren wurde der Unimog geboren. Der Gelände-Lkw entwickelte sich zu einem Kult-Objekt. Ein Rückblick.
23.04.2021 Torsten SeibtDie Geschichte des Unimogs beginnt eigentlich auf dem Acker, als Deutschland in Schutt und Asche lag. Als der Morgenthauplan nach dem zweiten Weltkrieg vorsah, Deutschland in einen reinen Agrarstaat umzuwandeln, brachte Albert Friedrich die ersten Studien für ein landwirtschaftliches Allradnutzfahrzeug in Frontlenkerbauweise zu Papier – eben das Universal-Motor-Gerät. Noch im Jahr 1945 kommt es zu einem Vertrag mit der Firma Erhard & Söhne aus Schwäbisch-Gmünd, die bereits ein Jahr später den ersten fahrfähigen Prototypen vorstellen kann. Der Unimog ist geboren.
Eigentlich schon immer ein Daimler
Albert Friedrich, der geistige Vater des Unimog, griff bei der Planung des neuen Universal-Agrarfahrzeugs auf eigene alte Ideen zurück. Als Leiter der Daimler-Flugmotorenentwicklung in Berlin hatte er bereits 1942 Skizzen für einen Frontlenkermannschaftswagen angefertigt, von denen der Unimog später bis hin zu den Portalachsen weitgehend profitieren kann.
Denn diese Pläne wurden wieder aktuell, als Friedrich 1945 eher zufällig mit Heinrich Rößler im kriegszerstörten Daimler-Werk Untertürkheim zusammentraf. Der ehemalige Kollege aus der Flugmotorenfertigung hatte wie Friedrich inzwischen eigene Überlegungen für ein landwirtschaftliches Nutzfahrzeug angestellt, weil auch er in einem solchen Konzept die einzige Möglichkeit sah, im Nachkriegsdeutschland unter der alliierten Verwaltung wieder als Fahrzeugingenieur arbeiten zu können.
Die ersten Vereinbarungen mit der Firma Erhard & Söhne zum Bau des Unimog fußten übrigens ebenfalls auf der Mercedes-Ära der beiden Ingenieure. Der Betrieb war seinerzeit als Teilelieferant für Daimler-Benz tätig gewesen und suchte nun wie sie nach neuen Tätigkeitsfeldern.
Gemeinsam mit Friedrich und dem Fabrikanten Franz Catta sicherte Erhard & Söhne die Finanzierung des Projektes, Friedrich konnte sich an die Konstruktionsarbeit machen. In den ersten Zeichnungen zum "Motorbetriebenen Universalfahrzeug für die Landwirtschaft" ging es dabei noch um ein Heckmotorkonzept, ähnlich dem, das Puch später beim Bau des Haflinger umsetzen sollte. Doch bereits 1946 war daraus die endgültige Bauform mit Frontmotor, Portalachsen und vier gleich großen Rädern geworden. Der Göppinger Maschinenbauer Boehringer beteiligte sich schon früh an der Planung, 1948 ging die komplette Produktion an Boehringer, Erhard & Söhne blieben als Teilezulieferer an Bord.
Im Video: Der moderne Unimog als Schneefräse
Seit 1950 auch offiziell ein Mercedes
Mercedes steuerte sogar den allerersten Dieselmotor für den Unimog bei: Den Ölmotor (OM) 636 in der Ausführung I-U. Am 27. Oktober 1950 schließlich unterzeichneten sechs Vertreter der "Unimog Entwicklungsgesellschaft" und zwei Vertreter der damaligen Daimler-Benz Aktiengesellschaft ein unscheinbares, aber sehr bedeutendes Dokument. Auf lediglich zwei maschinengeschriebenen Seiten und mit gerade einmal fünf Vertragspunkten vereinbarten die Beteiligten den Verkauf des Unimog und aller Rechte daran an den Stuttgarter Konzern. Wörtlich heißt es in der Vereinbarung: "Die Unimog-Ges., welche ihren Betrieb aufgibt, überträgt der Daimler-Benz A.-G. zu freiem Eigentum und unbeschränkter Verwertung ihr gesamtes Aktivvermögen, bestehend aus Rechten hinsichtlich des Universal-Motorgeräts-Unimog und der von der Unimog-Ges. entwickelten Zusatzgeräte".
Schon das erste Unimog-Modell fuhr mit Mercedes-Diesel
Damit war das Schicksal des unmittelbar nach Kriegsende entwickelten Unimog entschieden. Der zunächst als reines landwirtschaftliches Nutzfahrzeug vorgesehene Unimog war 1949 bei Boehringer in Göppingen in die (Handarbeits)-Serienfertigung gegangen. Bereits frühzeitig zeichnete sich ab, dass die Möglichkeiten des leichten und hoch geländegängigen Nutzfahrzeugs weit über den landwirtschaftlichen Einsatz hinaus gehen würden. Die gewaltige Nachfrage, die nach der ersten offiziellen Präsentation auf der Frankfurter Landwirtschaftsausstellung im Sommer 1950 über die Maschinenfrabrik Gebr. Boehringer hereinbrach, machte den Verantwortlichen deutlich, dass enorme Investitionen für eine stark erweiterte Serienproduktion nötig wären. Als Motorenlieferant hatte Daimler-Benz bereits zu dieser Zeit entsprechende Verbindungen zum Unimog.
Das erste Unimog-Modell war mit dem OM 636 von Daimler-Benz ausgerüstet. Boehringer hatte damals erste Exemplare des 1,7-Liter-Dieselmotors in den Unimog eingebaut, noch bevor der Stuttgarter Konzern begann, diesen Diesel in den 170 D (W136) einzubauen. Das Unimog-Aggregat kam auf eine Leistung von 25 PS, während die späteren OM 636 in Mercedes-Pkw mit vergrößertem Hubarum auf teils über 40 PS kamen.
Exotisch: Unimog von Freightliner
Der Kauf des kompletten Unimog-Projekts war für Daimler-Benz kein Selbstläufer, erwies sich im Nachhinein aber als Glücksgriff. Mit den im Laufe der Jahrzehnte immer weiter aufgesplitteten Baureihen konnte sich der Unimog in ungezählten zivilen und militärischen Einsatzszenarien bewähren, wobei der ursprüngliche Einsatz in der Landwirtschaft immer mehr an Bedeutung verlor. Bereits im Jahr 1951 zog die Unimog-Produktion aus Göppingen in das Mercedes-Werk Gaggenau. Nach dem neuerlichen Umzug der Unimog-Produktion in das Lkw-Werk Wörth wurde im Jahr 2006 am ursprünglichen Produktionsstandort Gaggenau das Unimog-Museum eröffnet.
Daimler-Benz zahlte 600.000 Mark für Unimog
Übrigens war nicht nur der ultrakurze Vertrag, an dem heute vermutlich unzählige Konzernjuristen über Monate hinweg feilen würden, spektakulär. Auch der Kaufpreis verblüfft: 600.000 D-Mark, "unterteilt in 6 Schecks zu je DM 100 000" vereinbarten die Unterzeichner am 27.10.1950. Um diesen Preis in Relation zu setzen: Für das Basismodell des 1950er VW Käfer waren seinerzeit rund 4.800 D-Mark fällig. Im Falle der Unimog-Übernahme darf man unter heutigen Maßstäben entsprechend von einem echten Schnäppchenpreis sprechen.