50 Jahre ZF-Automatik
Das Getriebe ist der Star
Vor 50 Jahren drehte und schaltete zum ersten Mal eine Wandlerautomatik von ZF in einem BMW, vor 100 Jahren wurde die Zahnradfabrik am Bodensee gegründet – ein Blick zurück aus einem BMW 2000 C.
26.05.2015 Heinrich LingnerDiesmal ist das Getriebe der Star, also stören wir uns gar nicht dran, dass das eine BMW-Coupé einen Vierzylinder-Benziner hat, das andere dagegen einen Sechszylinder-Diesel. Nicht schlimm, denn beide haben Automatikgetriebe. ZF-Automatikgetriebe, um genau zu sein.
Was ja heute in der gehobenen Mittelklasse eines BMW 430d, Baureihe F32, sehr normal ist – die Sechszylinder-Diesel sind nur mit Automatik lieferbar, lediglich die Benziner und Vierzylinder-Diesel gibt es noch mit Handschaltung – war vor 50 Jahren noch sehr außergewöhnlich: Automatikgetriebe sind 1965 nur bei Importautos und bei Mercedes zu haben.
Neuartiges ZF-Getriebe in den 60ern
Und nun bei BMW, Ende November werden die ersten 2000 Coupé der sogenannten Neuen Klasse gebaut, eine elegante Zweitürerversion der bereits seit 1961 gebauten Limousine Typ 115. Die Karosserie kommt dabei von Karmann aus Osnabrück, das Getriebe des 2000 C jedoch aus Friedrichshafen. Es heißt 3 HP 12 und ist der Beginn einer Erfolgsstory.
Selbst wenn der BMW mit der neuen Dreigang-Wandlerautomatik nicht unbedingt das ist, was man ein Erfolgsmodell nennt. Nur 549 der insgesamt 13.700 zwischen 1965 und 1970 gebauten Coupés erhalten das für Europa neuartige ZF-Getriebe. Für deutsche Autofahrer ist das Planetenradgetriebe mit hydraulischem Drehmomentwandler exotisch.
Zudem hat der 2000 CA nur 100 PS statt der 120 des handgeschalteten 2000 Coupés. Doch die Idee setzt sich durch, das 3 HP 12 kommt auch im neuen Peugeot 504 und in weiteren BMW-Modellen zum Einsatz. Es folgt das 3 HP 22 für höhere Eingangsdrehmomente, und 50 Jahre später sitzen wir in einem BMW-Coupé, das ebenfalls eine ZF-Wandlerautomatik hat, jedoch eine mit acht Gängen, elektronischer Steuerung und mühelos in der Lage, die 560 Nm des Dreiliter-Turbodiesel zu portionieren.
ZF feiert 100. Geburtstag
Natürlich ist das 3 HP 12 nicht vom Himmel gefallen, ZF ist 1965 eine bereits 50 Jahre alte Firma, die demzufolge dieses Jahr ihren 100. Geburtstag feiert und sich ebenso lange mit der Übertragung von Kräften mittels Zahnrädern befasst.
Erst sind es Zahnräder und Getriebe für Luftschiffe, Boote und Nutzfahrzeuge, nach dem Ersten Weltkrieg konzentriert man sich auf Fahrzeuggetriebe. 1925, also vor 90 Jahren, erkennt die Firmenleitung den Bedarf für universal einsetzbare Getriebe, weil die vielen Autohersteller mit ihren damals kleinen Stückzahlen das gar nicht wirtschaftlich stemmen konnten.
Die Erkenntnis erweist sich als goldrichtig, die Schaltgetriebe aus Friedrichshafen waren begehrt, bereits 1926 wurde eine weitere Fertigungsstätte in Berlin, 1937 eine in Schwäbisch Gmünd eröffnet. Heute ist die ZF Friedrichshafen AG der drittgrößte deutsche Automobilzulieferer mit 122 Produktionsgesellschaften in 26 Ländern, über 71.000 Mitarbeitern und sieben Hauptentwicklungsstandorten.
Zulieferer für die Oberklasse
Aus einer dieser Produktionsstätten, dem ZF-Getriebewerk in Saarbrücken, stammt das 8 HP 70 im 430d. Wie gut es ist, merkt man daran, dass man gar nichts merkt. Es wechselt ohne merkliche Unterbrechung, völlig frei von jeder Hektik die Fahrstufen, hat freilich auch mit dem kultivierten, 258 PS starken Sechszylinder einen angenehmen und sehr kraftvollen Antriebspartner.
Besser geht es eigentlich kaum, also liest sich die Kundenliste des 8 HP wie das Inhaltsverzeichnis eines Autokatalogs der Ober- und Luxusklasse: Audi, Bentley, BMW, Jaguar, Maserati, Rolls-Royce etc. Auch das war 1965 anders, die Kundenliste von ZF etwas kürzer, zu Peugeot als 3-HP-12-Kunde gesellt sich bald immerhin noch Alfa Romeo, die ein Automatikgetriebe für die Berlina suchen.
Im BMW kostet das Getriebe nur 250 Mark Aufpreis, allerdings hat der 2000 CS mit Schaltgetriebe einen Doppelvergaser und 20 PS mehr. Der 2000 C Automatik kostet 17.750 Mark, mithin dreimal so viel wie ein VW Käfer, nur etwa 15 Prozent der Haushalte in Deutschland haben ein Einkommen von mehr als 1.500 Mark monatlich.
Früher war nicht alles besser
So ganz leicht tut sich der rund 1.200 kg schwere BMW mit seinen 100 PS und der Wandlerautomatik dann auch nicht, er tritt eher gemächlich an, wechselt jedoch die Gänge weich und ruckfrei. Kickdown kann das 3 HP 12 ebenfalls, dann ruckt die Wandlerkupplung doch ein wenig, der 2000 C schiebt etwas heftiger nach vorn. 14,4 Sekunden benötigt der Wagen im auto motor und sport-Test von 1967 bis 100 km/h, fast vier Sekunden mehr als ein handgeschalteter 2000.
Dabei genehmigt sich der Zweiliter-Vierzylinder mit seinem Solex-Fallstromvergaser 13,7 Liter Superbenzin im Testdurchschnitt, läuft maximal 170 km/h schnell und verlangt alle 6.000 Kilometer nach einem Service mit Ölwechsel. Nicht alles war früher also besser, immerhin deutet der 2000 C an, warum sich die Idee der Wandlerautomatik hierzulande mit mehr als 30 Jahren Verspätung durchsetzte: Die drehmomentschwachen Benziner der frühen Automatikjahre waren einfach keine optimalen Partner.
Das alles ist im Sechszylinder-BMW anders. Der entwickelt zwischen 1.500 und 3.000 Umdrehungen 560 Nm Drehmoment, das den einsamen Ravigneaux-Radsatz im 3 HP 12 in Sekundenschnelle zu Eisenspänen zerhobelt hätte. Dabei geht der 430d wie aus einer anderen Welt und verbraucht nur halb so viel wie der 2000 C, auch das ist Fortschritt. Selbst wenn hier die Getriebe die Stars sind.