3 Generationen Alpine - A110, A310 und A610

Alpine-Stars der 60er bis 90er

Seit 1961 sorgen die leichten Flundern von Alpine für Fahrspaß und sportliche Erfolge. Wir fahren drei Generationen: A110 1300 VC, A310 V6 und die nur 818 mal gebaute Alpine A610 Turbo.

Renault Alpine A110 1300 VC, Renault Alpine A310 V6, Renault Alpine A610 TURBO Foto: Hans-Dieter Seufert 33 Bilder

Auf Frankreichs Weg zur Grande Nation musste erst ein kleiner Gallier gegen die Großen aufstehen. Zum Gedenken kamen drei Alpines zum Veteranentreffen.

Einer muss ja mal die Wahrheit schreiben: Dieses unbeugsame gallische Dorf, das wir alle kennen, lag gar nicht am westlichen Zipfel des bretonischen Aremorica, sondern im Osten der Normandie, und es war auch nicht dieser Asterix, der gegen die erdrückende Großmacht aufstand, sondern ein kleiner Renault-Händler aus Dieppe. Umzingelt und unterworfen war das damals gar nicht so bedeutende Frankreich tatsächlich. Rom nannte sich zwar jetzt Italien, beherrschte aber in den 60er-Jahren zusammen mit den Briten die Formel 1 und die Langstrecke. Die Bastionen Le Mans und Monte Carlo waren zu allem Überfluss von den Germanen geschliffen worden.

Jean Rédélé will gegen Porsche antreten

Asterix hieß mit bürgerlichem Namen Jean Rédélé und mochte der neuen Supermacht Porsche nicht kampflos weichen. Weil er aber eben kein großer Hersteller war, baute er Rallye-Autos mit Renault-Teilen, über die er eigene Kunststoffkarossen stülpte, und nach ein paar Jahren Puzzeln fügte sich irgendwie alles zusammen. Die Formel des Erfolges hieß A110, und als 1973 die erste offizielle Rallye-Weltmeisterschaft ausgeschrieben wurde, hieß der Titelträger Alpine-Renault.

Günter Schweier hebt den Zeigefinger und merkt stolz an: "Damals sind die Porsche meist mit Defekten ausgefallen." Schweier gehört zwar zum Stamm der Schwaben, ist aber Sohn eines Renault-Händlers, dessen Vater vor langer Zeit auch Schmiden bei Stuttgart zum gallischen Dorf erklärte. Zusammen mit zwei Gesinnungsfreunden hat sich der Enkel im tiefsten Feindesland mit drei Alpines versammelt, um die große, alte Zeit noch einmal heraufzubeschwören. Vom Zielhaus der Solitude-Rennstrecke liegt Porsches Entwicklungsschmiede Weissach keine 20 Kilometer entfernt.

Frank Schmidtborn ist gelernter Augenarzt, aber er sah erst klar, als er in dieses tiefe und dennoch leuchtende Bleu blickte und seiner Frau Sabine gestand, dass er sich erneut verliebt habe. Die Gattin war eher beruhigt als geschockt: "Ich war heilfroh, dass es eine Alpine war, denn die ist aus Plastik." Zuvor war Schmidtborn entweder in der Praxis oder unterwegs in Sachen Rostbekämpfung.

Der Alpine-Zaubertrank heißt Kunstharz

Nach all den Jahren können wir es ja verraten: Der magische Saft, der die kleinen Gallier unbesiegbar machte, war nicht der Zaubertrank von Miraculix, sondern Kunstharz. Mit dem tränkte Rédélé seine glasfaserverstärkten Kunststoffmatten und schuf ein Geschoss, das in der magersten Version 625 Kilo wog, aber dennoch unverwüstlich über Stock und Stein ging. Die Leichtigkeit war auch vonnöten, denn wie die frühen Porsche krankten die Alpine anfänglich an Leistungsmangel. Das erste Einliter-Motörchen der Alpine A110 hatte in der Serie zarte 54 PS. Die rasanten 120-PS-Motoren von Réné Gordini waren laut und scharf, aber ständig kaputt.

Seine mit 74 PS arg zahme 1,3-Liter-Alpine war Schmidtborn schnell zu müde. Er ließ einen 1,4-Liter aus dem R5 mit 115 PS installieren. Puristen werden maulen, das sei ja jetzt alles nicht mehr original, aber zum einen gab es die Alpine einst bei den Iberern durchaus in dieser Variante, zum anderen wurde gerade in den späten Alpine A110-Jahren in Dieppe so ziemlich alles verbaut, was nicht schnell genug ins Regal sprang. Selbst ausgefuchste Alpine-Spezialisten wie Frank Worresch stehen zuweilen am Rand der Verzweiflung: "Manchmal frage ich mich auch, warum ich nicht einfach mit Porsche weitermache."

Nach einem Porsche dreht sich doch keiner mehr um

Sabine Schmidtborn weiß warum: "Nach einem Porsche dreht sich doch in Stuttgart niemand um." Das kann beim forschen Tritt aufs Gaspedal von dieser Alpine A110 nicht behaupten. Dank Fächerkrümmer und Sportauspuff brüllt der Vierzylinder wie das Baby von Popeye, und er marschiert auch los, als hätte er Spinat im Tank. Wer es schafft, ohne ein zweites Gelenk am Knie das Lenkrad mit dem rechten Bein zu umgehen, schmiegt sich mit der Hüfte an das Zentralrohr, das die Alpine im Innersten zusammenhält und dreht an einem kleinen Sportlenkrad, das sich auch ohne Servounterstützung erstaunlich leichtgängig bewegen lässt.

Das ist auch nötig, wenn auf nasser Straße im Kreisverkehr plötzlich der hinter der Hinterachse hockende Motor herumschwingt und die Pendelachse der Alpine A110 die Fangbänder anspannt.

Rotwein statt Training

Aber auch bei langsamer Fahrt darf sich der Gast ein bisschen wie Jean-Luc Therier fühlen, der als verrücktester und schnellster Alpine A110-Pilot galt, was vielleicht daran lag, dass er lieber in der Kneipe Rotwein trank als Prüfungen zu trainieren. Wer sich den Aufschrieb vom Kollegen leiht, hat ja keine Ahnung, welche Abgründe sich neben den Mäuerchen südfranzösischer Bergstraßen auftun. Es hilft ohnehin nicht, über dieses GFK-Häutchen nachzudenken, das zwischen dem behaglich engen Cockpit und der lebensfeindlichen Außenwelt aus Felsen und Bäumen liegt.

Der A110-Nachfolger war ein echter GT

Als Italien mit dem Lancia Stratos furchtbar zurückschlug, war nicht nur die sportliche Hochzeit der Alpine A110 zu Ende, auch die Leichtigkeit war passé. Rédélé legte 1971 die Alpine A310 auf Kiel. Der Nachfolger war größer und komfortabler, ein echter Gran Turisme. Nur fehlte dem frühen Vierzylinder der Qualm auf der Kette, weshalb sich Günter Schweier ein 81er V6-Modell mit 150 PS anlachte, nachdem er in der Familie eine Weile schief angesehen wurde, weil er zwischendurch einen Morgan fuhr.

Der 2,7-Liter-V6 der Alpine A310 beschleunigt souverän, aber sanft – passend zu den weichen Sitzen und dem plüschigen Interieur in Schmuseteddy-Braun – das Einzige, was Schweier an seiner Alpine nicht mag. Die A310 hat außer dem kleinen Lenkrad keine Attribute eines sportlichen Siegertypen mehr, aber sie war schon neu klar billiger als ein 911. Sie ist eher eine Design-Skulptur als ein Sportwagen. Man betrachtete sie vor dem Stammcafé wohlwollend mit einer Gitanes im Anschlag, während all die anderen Langweiler Marlboro rauchten.

Bittere Ironie: mit der besten Alpine kam das Ende

Es ist eine der vielen bitteren Ironien der Geschichte, dass mit der besten Alpine auch das Ende kam. Die 1991 vorgestellte Alpine A610 trug einen auf drei Liter aufgebohrten V6, hatte mit 250 PS endlich Leistung und einen Turbo, der das ausgewachsene Coupé aus den frühen Neunzigern erstaunlich kultiviert voranbeschleunigte. Sie ist 56 Zentimeter länger und 600 Kilo schwerer als die A110 - und sie ist ein großes Missverständnis.

Denn die Alpine A610 Turbo hat Servolenkung, Klimaanlage und angenehm gepolsterte Ledersitze. Sie war ihrer Zeit voraus, ein Allrounder, als Reisecoupé entwickelt, das dennoch schnell sein kann, wenn es will. Wer durch die große Panorama-Frontscheibe in die Wolken blickt, will sofort zu einer großen Reise in den Süden aufbrechen. Auf der Nürburgring-Nordschleife war sie nur rund fünf Sekunden langsamer als ein 911 Carrera. Aber mit zuletzt rund 100.000 Mark war sie selbst den Fans zu teuer.

Zur Geburt eines Mythos gehört ein böses Ende ja irgendwie dazu. Die große Régie Renault verleibte sich die kleine Firma Alpine ein, Rédélé starb 2007, seine Marke war von den Managern in Paris schon ein Dutzend Jahre zuvor beerdigt worden. Aber das Tröstliche an Mythen ist, dass sie letztendlich nicht umzubringen sind.