Autosammler Yusuf Oksaz
Ein Mann, der sammeln kann
Mofas, ausrangierte Flughafenstühle - oder eben Autos: Die Sammelleidenschaft des Stuttgarter Club-Besitzers Yusuf Oksaz kennt kaum Grenzen. Ein landender Düsenjet würde in Stuttgarts pittoreskem Altstadtwinkel rund um den Hans-im-Glück-Brunnen vermutlich kaum mehr auffallen als dieser Neunelfer in schriller Martini-Lackierung.
06.07.2011 Michael Schröder Der Bolide mit Schalensitzen, Käfig und Startnummer rangiert böse fauchend hin und her und kommt schließlich ein wenig abseits des Erlaubten zum Stehen. So ein Manöver bleibt natürlich nicht unbemerkt, ist in puncto Aufmerksamkeitswert fast schon ein kleines Happening.
Yusuf Oksaz liebt große Auftritte. Und irgendwie gehören sie bei einem Mann auch dazu, der als Besitzer von zwei angesagten Clubs und einer trendigen Bar seit vielen Jahren zu den Szene-Größen der Schwabenmetropole zählt. Das Markenzeichen des stadtbekannten Nachtschwärmers: zwei lange geflochtene Zöpfe. Und natürlich dessen Fuhrpark, zu dem bevorzugt Fahrzeuge aus schwäbischer Herkunft gehören. Fast täglich erspäht man Yusuf in einem anderen Auto in seinem Revier entlang der Eberhardstraße, die nachts zu den angesagten Flaniermeilen der Landeshauptstadt zählt.
Ein Mercedes 600 SEL ist sein momentaner Favorit
Zurzeit hat ein Mercedes-Benz 600 SEL , Baujahr 1992, die Rolle seines Favoriten übernommen. Der vollausgestattete Zwölfzylinder mit ursprünglich rundum verdunkelten Scheiben stamme aus Kasachstan und sei dort wohl ein Mafia-Auto gewesen, schätzt Yusuf. Er hat den Wagen im Netz entdeckt und schließlich in München von zwei streng schauenden Osteuropäern übernommen. Den Porsche aus dem Jahr 1979 nutzt der Club-Besitzer, dessen Eltern aus der Türkei stammen, eigentlich nur zu gelegentlichen Renneinsätzen. Und stellt die große Ausnahme in Yusufs Sammlung dar, weil ihm Tuning-Autos ansonsten ein Graus sind.
Vielmehr outet er sich als absoluter Originalitätsfreak. Nur mit AMG-Ausführungen und Umbauten des Porsche-Spezialisten Alois Ruf konnte er sich bisher anfreunden. Letztgenannter hatte den 911er Turbo auf rund 400 PS getrimmt und mit dem hauseigenen Fünfganggetriebe versehen. Seit 2002 befindet sich das Auto in Yusufs Besitz, der es recht kompromisslos für Renneinsätze vorbereitet hat. Noch heute schmunzelt er über den Entstehungsprozess der "Lackierung": "Viermal bin ich mit einer Grafikerin ins Porsche-Museum gerannt, um mit einer RAL-Farbkarte die Original-Martini-Farbtöne zu bestimmen." Nach diesen Vorgaben ließ er schließlich eine hochwertige Klebefolie produzieren.
Ein VW Golf I GLS zum 30. Geburtstag
Die Begeisterung, die Autos in Yusuf wecken und mit der er Geschichten wie diese erzählt, wirkt grenzenlos und ansteckend. So ist es kein Wunder, dass sich diese automobile Leidenschaft inzwischen auch auf seine Frau Britta übertragen hat, die als Pressereferentin bei einer Bank arbeitet und ihren Mann um fast eine Kopfgröße überragt. Zum Termin erscheint sie in ihrem viperngrünen VW Golf I GLS , seinem Geschenk zu ihrem 30. Geburtstag. "Baujahr 77, erste Hand, echte 46.000 Kilometer, unrestauriert und kein Rost." Ein Auto ganz nach Yusufs Vorstellungen. Um ein Fahrzeug in so einem Zustand aufzutreiben, erklärt Britta, mache sich ihr Mann schon mal viele Stunden pro Tag im Internet auf die Suche oder würde rasch 1.000 Kilometer für einen Besichtigungstermin abspulen. "Momentan durchforstet er die halbe Welt nach einer Heckflosse."
Die würde sich zwischen all den anderen Mercedes-Benz-Modellen in Yusufs Halle garantiert pudelwohl fühlen. Der Mann mit den Zöpfen hält bereits sämtliche Schlüssel in seinen Händen, öffnet Türen und Motorhauben, hat zu jedem Auto nicht nur die Eckdaten, sondern mindestens auch eine Anekdote parat. Der 450 SEL 6.9 (W 116) beispielsweise. Bei dem habe er erst kurz nach dem Kauf festgestellt, dass in dem Auto ein AMG-Motor steckt. "Das wusste nicht einmal der Vorbesitzer", wundert Yusuf sich im Nachhinein und blickt bereits auf das nächste Modell, einen 600er aus dem Jahr 1965. Für seine Hochzeit kam für den Autofan nur diese luxuriöse Limousine der Baureihe W 100 in Frage, die ansonsten gern für Staats- und Repräsentationszwecke verwendet wurde.
Mercedes W100 ohne Kopfstützen
Das gepflegte Auto (Kilometerstand 25.000) stammt von einem Bankier, der es bewusst ohne Fahrerkopfstütze geordert hat. Yusuf amüsiert sich königlich über den Grund der skurrilen Sparmaßnahme: "Ein Chauffeur müsse ja schließlich nicht schlafen", habe ihm der Banker bei der Übergabe erklärt. Mit ein paar sanften Gasstößen weckt Yusuf den 6,3-Liter-V8 zum Leben. Das M100-Aggregat sei einfach ein unglaublich geiler Motor, schwärmt der Mercedes- Fan, der mit einem 300er SEL 6.3 (W109) ein weiteres Modell mit dieser Maschine besitzt. 80.000 Kilometer, ungeschweißt und mit abgestempeltem Scheckheft. Als Yusuf darin Platz nimmt, glänzen seine Augen wie die eines Schulbuben, der soeben seine erste Rennbahn erhalten hat.
2004 hat er dieses Auto per Zufall in der Schweiz entdeckt. Unverkäuflich sei es gewesen, doch nach einer Stunde habe der Besitzer schließlich seinem intensiven Drängen nachgegeben. "Der ruft heute noch an, weil er das Auto unbedingt zurückhaben will." Stundenlang könnte man sich durch diese Halle treiben lassen - würde zwischen einer Mofa- und Motorradsammlung, diversen lebensgroßen Marienstatuen und einem Satz ausrangierter Plastiksessel aus der Empfangshalle des Flughafen Berlin-Tempelhof auf ein wunderschönes 300 SE Coupé (W 112) stoßen.
Oder am anderen Ende auf einen in Arizona erstandenen 76er Cadillac DeVille mit einem 8,2-Liter-V8 unter der Haube, aus deren Blech sich problemlos die Karosserie eines Honda N 600 formen ließe. Dieser automobile Zwerg zählt ebenfalls zu den Lieblingsautos des charismatischen Hausherrn. Natürlich springt der 38 PS starke Zweizylinder auf den ersten Versuch an. Ebenso versteht es sich bei einem Sammler wie Yusuf fast schon von selbst, dass dieses 37 Jahre alte Exemplar daherkommt, als sei es erst vorgestern produziert worden. Britta hat inzwischen ihren alten Vespa-Roller wieder entdeckt und gestartet. Ebenfalls ein Geburtstaggeschenk ihres Mannes, der brav hinter ihr Platz nimmt. Im nächsten Moment brettern die beiden so lustvoll durch die Halle, als hätte es nie einen größeren Spaß gegeben.