Preiswerte Zwölfzylinder
Im Dutzend billiger, Luxus für wenig Geld
Zwölfzylinder im Sonderangebot: Wegen des hohen Unterhalts, Reparaturpreise in Zeitwertnähe und verblassendem Ruhm werden diese vier V12-Autos zum Schnäppchenpreis angeboten.
09.04.2013 Alf CremersBereits für 25.000 Euro gibt es einen guten Ferrari 400i, ein passabler Jaguar XJ-S kostet 8.000 Euro, Mercedes 600 SEL und BMW 750i steigen schon bei 5.000 Euro ein.
Die magische Zylinderzahl im Automobilbau bleibt für die meisten Enthusiasten lange unerreichbar. Ein Zwölfzylinder gehört fraglos zur Elite in Leistung, Laufkultur und Nimbus, aber auch in den Unterhaltskosten. Ein Zwölfzylinder adelt nicht nur seinen Besitzer, sondern auch die Marke, von der er stammt.
Neu kaum bezahlbar, als Youngtimer für jeden finanzierbar
Toyota ist in Japan längst dank des Century Mitglied im Club, von den neuzeitlich erst spät zwölfzündenden britischen Nobelmanufakturen Rolls-Royce und Aston Martin Lagonda haben wir es längst erwartet. Für einen Volkswagen ist die Zahl immer noch ungewohnt, und der strebsame Audi hat sogar einen V12 Turbodiesel- Direkteinspritzer im Programm. Doch populär statt elitär ist ein Zwölfzylinder deshalb noch lange nicht. Er bleibt sehr kostspielig in Konstruktion, Entwicklung und Fertigung.
Volkstümlich wird der Zwölfzylinder erst als Okkasion im Alter, am Totpunkt im Ölsumpf der Gebrauchtwagen-Depression, kurz bevor die Preise wieder viel langsamer steigen, als sie zuvor gefallen sind.
Fahrbereite Zwölfzylinder für 1.500 Euro
Der Sinnspruch „Im Dutzend billiger“ trifft einen Meilenstein des deutschen Automobilbaus besonders hart und ungerecht. Der erste Nachkriegs-Zwölfzylinder aus Bayern heißt BMW 750 i – sein ruhmreicher Titel ist fast so schnell vergessen wie der Name von Miss Germany 1987. Heute, 23 Jahre später, gibt es fahrbereite Dreihunderttausender für 1.500 Euro, immerhin reicht es für den bedeutungsschweren Satz: „Ich fahre einen Zwölfzylinder“. Passable kosten 3.000 und gute kommen kaum über 5.000 Euro.
Einem Ferrari geht es da schon viel besser. Lesen Sie auf der nächsten Seite mehr über den Ferrari 400 i.
Billige Zwölfzylinder von Ferrari? Sogar solche mit dem letzten V12- Urahn der legendären Konstruktion von Gioacchino Colombo? Auch die gibt es. Fallbeispiel gefällig? Der Spontanklick ins Internet, bei mobile.de, macht folgendes Angebot zum Nachdenken:
Der Ferrari 400 i mit Frontmotor ist der arme Hund unter den Ferrari
Ferrari 400 i Automatic, Rosso Corsa, rotes Connolly-Leder wie der Wagen auf unseren Archivfotos. Baujahr 1982, 92.000 km, diverse Neuteile wie Michelin TRX-Reifen (sehr teuer), Auspuff, Steuergerät für die K-Jetronic. Gute Service-Historie.
Laut Händler Aretz-Automobile in Dinslaken bei Wesel: "Ein Sammlerfahrzeug in exzellentem Zustand" - 24.500 Euro. Es ist schon die von 310 auf 315 PS erstarkte Variante mit einem noch besseren Drehmomentverlauf, falls man dies bei überbordenden 392 Newtonmeter im Dialog mit der Dreigangautomatik von General Motors überhaupt merkt.
Aussagekräftige Fotos bestätigen den sehr guten Eindruck, daneben steht gleich noch ein 400er. Der 400 i von Aretz ist nicht der einzige relative Billigheimer unter den Ferrari-Zwölfendern, ab 13.500 Euro geht es für einen rechtsgelenkten 400 i los, die meisten dieser eindrucksvollen Reisewagen Wagen pendeln sich zwischen 20.000 und 30.000 Euro ein.
Wie der BMW 750 i hat auch der Frontmotor-Ferrari 400, vormals 365 GT 4 2+2, bei Autoliebhabern keine guten Chancen. Er ist der arme Hund unter den Ferrari, in der Beißordnung des Rudels liegt lediglich der nur achtzylindrige Mondial darunter. Selbst das einstige Bertone- Stiefkind Ferrari 308 GT4 hat schon gleichgezogen. Und auch der technisch mit dem 400 GT völlig verwandte 365 GTC, mit seiner schwarzen Plastiknase nicht gerade eine Schönheit, kostet gut 90.000 Euro. Sie sind konventionell angetrieben. Transaxle wie der Daytona und der 456 GT - die posthume Rehabilitation des 400 GT -, haben beide nicht.
Luxuriös ausgetattet, groß und günstig - Gute Gene des Ferrari 400i
Wir ahnten es schon, es liegt an der Form. Sie ist den Ferraristi zu unspektakulär, zu ausladend, vielleicht zu sehr Ford Granada oder besser noch Rolls-Royce Camargue. Den stylte Pininfarina zur gleichen Zeit, auch einen Mercedes-Benz 300 SEL 6.3 kleidete er ähnlich ein. Etwas Gesetztes haftet dem 400 an. Ihm ist der Smoking näher als der Rennanzug, er polarisiert.
Seine Fans freuen sich nicht nur am geringen Preis. Sie lieben seine autoritäre Größe, seine graumelierte Herrenfahrerattitüde, seine hohe Wertigkeit im Detail - wie den gesteppten ledernen Dachhimmel, die prallen Einzelsitze im Fond, die Flugzeug-Atmosphäre suggerierende Mittelkonsole. Selbst der dominante Wählhebel wirkt in dieser Aura von mondänem Luxus nicht wie ein Fremdkörper. Die Automatik ist schon seit dem Vergaser-400 von 1976 kein Ferrari-Tabu mehr.
Ihm, dem 340 PS starken, mit sechs Weber-Doppelvergasern unwiderstehlich attraktiv inszenierten Vollblut-Zwölfzylinder, trauern viele nach. Benzineinspritzung, ABS oder gar Automatik statt der markentypischen Fünfgang-Kulissenschaltung sind eben für viele nicht Ferrarilike, weil dies an der ungezähmten Sinnlichkeit der Autos rüttelt. Zum Charakter des für mühelos hohe Reiseschnitte geschaffenen Trans Europe Express passt die extrem weich schaltende GM-Automatik sogar sehr gut. Obwohl sie Biss kostet.
Fast unverschämter Preisverfall beim Ferrari 400 i
Ein BMW 750i ist geradezu unverschämt billig. Doch der mächtige Ferrari ist alles andere als eine lässige Hängematte, kein fliegender Teppich wie ein BMW 750 i. Der herrliche, stets kribblig-betörende Klang des Colombo-V12 berauscht die Sinne und stimuliert die Fahrfreude, sicher und elegant schmiegt sich das schwere Coupé mit dem echten Rohrrahmen- Chassis in die Kurven einer schnell gefahrenen Etappe über Landstraßen. Seine Drehfreude begeistert, ebenso sein Durchzug aus dem Drehzahlkeller.
Immerhin wurden in 17 Jahren von der 400er- Familie, zu der auch der Ur 365 GT 4 2+2 mit den drei Rückleuchten und der späte 412 gehört, 2.978 Exemplare gebaut. Der Neupreis des 400i lag 1981 bei 123.000 Mark - dafür gab es gleich zwei Mercedes 500 SEL. Nur ein Rolls-Royce Silver Spirit notiert nach fast 30 Jahren mit einem noch schlechteren Kurs.
Anders als dem furiosen Ferrari 400 i ist dem BMW 750 i Laufkultur wichtiger als Leistung. Lesen Sie auf der nächsten Seite mehr über den BMW 750 i.
Aber weil der V12 des BMW 750 i pro Arbeitstakt doppelt so häufig zündet wie ein Sechszylinder, ergibt sich dennoch ein spürbar ruhigerer Lauf, vor allem bei niedrigen Touren. Die leisen, unauffälligen 300 PS aus fünf Litern Hubraum des skulpturhaft schönen M70 liegen fast auf Ferrari-Niveau, werden jedoch mit weniger Aufwand erreicht.
Den BMW 750i gibt es schon ab 1.500 Euro
Zwei statt vier Nockenwellen genügen dem hoch effizienten kurzhubigen BMW-Leichtmetall- Motor, der Schlepphebel statt der anderswo üblichen Tassenstößel zur Ventilbetätigung einsetzt. Gegen die heftigen Trinkgelage der mächtigen Zwölfer hilft die ausgeklügelte Bosch Motronic. Das macht dann nur noch 15 statt 20 Liter auf 100 Kilometer. Schlaflose Nacht gefällig, ihr Zwölfzylinder-Affiçionados?
Selbin Automobile in Heilbonn inseriert bei mobile unter Telefon 0 71 31/ 8 98 44 21 einen 92er BMW 750 i, silbermetallic aus erster Hand, scheckheftgepflegt mit 292.650 Kilometern für 4.300 Euro: "Liebhaberstück, kein Kratzer, keine Beule, sehr gepflegter Garagenwagen. Buffalo- Vollleder in Anthrazit", lautet ein kleiner Auszug des umfangreichen Begleittextes, der alle Extras aufzählt. Die Fotos sprechen für sich, die hohe Kilometerleistung verliert angesichts des prächtigen Zustands an Bedeutung. Schon ab 1.500 Euro für verbrauchte 750 i geht es bei mobile.de los. Woran liegt der unwürdige Ausverkauf eines wertvollen Automobils? Antwort: Es wirkt schüchtern wie ein Fünfer.
Understatement, Harmonie und Ausgewogenheit - Die Tugenden des BMW 750 i
Dem BMW 750 i fehlt das gewisse Etwas, das Signal. Anders als sein extrovertierter Bruder BMW 850 Ci, der die machohafte Inkarnation eines Supersportwagen gibt, tarnt er sich mit der zeitlosen, beinahe zu technokratisch-seriösen Karosserie eines 730 i. Nur Kenner signalisieren die breitere Niere und die rechteckigen Auspuffenden. Vornehmes Understatement ist zeitgeistig betrachtet nun mal gerade aus der Mode. Daran ändert auch das Buffalo-Leder nichts.
Das Fahrerlebnis im großen BMW ist so beeindruckend mühelos wie die Linienführung. Er säuselt, er kann viel, ist geradezu ein Musterknabe in Harmonie und Ausgewogenheit. Von der Kette gelassen beißt er zu wie ein wildes Tier. Ist vor allem mit kurzem Radstand ein verkappter Sportwagen. Aber man geht mit ihm nicht aufs Ganze, es wäre unschicklich. Doch der 750 i birgt das geringste Risiko ruinöser Folgekosten, er ist der rationalste aller Zwölfzylinder.
Vor dem Erscheinen des BMW gebührte dieses Kompliment dem Jaguar XJ-S. Lesen Sie auf der nächsten Seite mehr über den Jaguar E-Type-Nachfolger.
Sein 5,4-Liter-Zwölfzylinder, ein Erbstück aus dem geplanten Le-Mans-Rennwagen XJ 13, ist immer noch der laufruhigste und leiseste im Quartett der Tenöre. Bei sanftem Beschleunigen umweht stets nur ein leiser Wind den von William Lyons und Malcolm Sayer avantgardistisch gezeichneten E-Type-Nachfolger. Mehr nicht.
Seidenweicher Lauf des Zwölfzylinders im Jaguar XJ-S
Im Leerlauf muss der Fahrer auf den Drehzahlmesser sehen, sonst startet er den Wagen versehentlich erneut. Als E-Type-Nachfolger hat der XJ-S gründlich versagt - zu ausladend, zu behäbig, formal ohne jenen Schuss Erotik, der den E-Type auch noch in der fülligen dritten Serie so begehrenswert macht.
Der XJ-S braucht eine Weile, um zu wirken. Dann springt der Funke über, und man verliebt sich Hals über Kopf in ihn. Bei Jaguar spielt er die Rolle, die der 928 bei Porsche innehat. Er ist ein ganz Großer, aber keiner versteht ihn, weil er so anders ist. Stets stand der XJ-S auch preislich im Schatten des XJ 12, Serie III. Frauen mögen ihn nicht. Doch langsam kommt er aus der Deckung, seine Form mit den lang gezogenen C-Säulen wirkt frischer als die der ausgeforschten Limousine, sie birgt noch Geheimnisse.
Gregor Zimmermann, Youngtimer- Händler aus Friedrichhafen, Tel. 0 75 41/ 5 73 05, inseriert in mobile.de einen silbernen XJ-S mit schwarzer Lederausstattung. Es ist ein 1977er Schweiz-Import, stammt noch aus der besonders reizvollen ersten Serie mit den merkwürdigen Segment- Alu-Rädern, der holzfreien Innenausstattung und dem extrem seltenen Vierganggetriebe mit Overdrive.
Liebe auf den zweiten Blick - der XJ-S birgt noch Geheimnisse
Nur 350 XJ-S-Stickshift soll es gegeben haben. Das mächtige, flache Coupé mit den seltsamen ovalen Cibié-Scheinwerfern kostet gerade einmal 7.499 Euro: "TÜV und AU neu, inklusive H-Zulassung. Frisch ab Service und neu hohlraumversiegelt". Solch erfreuliche Fakten werden von einem V12 versüßt, der mit 287 PS noch in der Blüte seiner Leistung stand, aber auch 20 Liter auf 100 km braucht.
Manche behaupten ja, die spätere HE-Version mit Fireball-Brennraum von Michael May hätte längst nicht mehr den Biss der frühen Jahre. Brauchbare XJ-S beginnen schon bei 3.000 Euro, oft sind es GKat- lose Mitachtziger, dazu noch Risikopatienten mit Wartungsstau.
Das BMW-Monopol auf den deutschen Neuzeit-Zwölfzylinder währte nur vier Jahre. Erzrivale Mercedes-Benz legte mit dem dicken W140 die Messlatte höher. Mehr auf der nächsten Seite.
Mercedes-Benz 600 SEL -Faszinierende Technik, ungeliebtes Äußeres
Vier Nockenwellen statt zwei; vier zu zwei steht es auch bei den Ventilen; sechs Liter Hubraum satt eingeschenkt; 408 PS, 580 Newtonmeter - das war seinerzeit Weltrekord. Aber die gewaltige Ingenieursleistung, die sowohl in diesem Jahrhundertmotor als auch im gesamten W140 steckt, wurde vom Publikum nicht gewürdigt. Man störte sich an der riesigen, wenig grazil gezeichneten Karosserie. Zum ersten Mal kam das Wort "sozialverträglich" bei einem Luxuswagen in die Diskussion.
Mercedes-Benz 600 SEL - das unerreichte Maximum
Heute wird den wenigen noch im Lande verbliebenen Mercedes 600 SEL jener Respekt gezollt, den sie als Maybach-Vorläufer und Meisterleistung verdient haben. Fahrkomfort, Materialqualität und Verarbeitungsniveau sind seither unerreicht. Gediegene Funktionalität empfängt den Fahrgast im salonartig großen Innenraum des 600 SEL. Dagegen erscheint der Vorgänger W 126 schlicht und kompakt wie eine Mittelklasse-Limousine.
Gerafftes Leder, feine Wurzelholzeinlagen, eine wie aus dem Vollen geschnitzte Mittelkonsole. Ein verschwenderisches Raumgefühl im Fond, maximale Isolation von der Außenwelt durch die schallschluckende Doppelverglasung. So ein 600 SEL ist wie eine Luxusvilla auf Rädern, wohnlich eingerichtet, aber ohne Nippes. Es fehlt nur noch der offene Kamin zwischen den üppig gepolsterten Vordersitzen.
Die hochkomplexe Technik kann für Verdruss bei W140-Besitzern sorgen
Was 198.360 Mark gekostet hat, ist heute bei der Firma EZT-Exporthandel GmbH in Trierweiler, Telefon 06 51/9 98 58 72 für 4.500 Euro zu haben. Ein 92er Mercedes 600 SEL mit 189.000 km, dunkelblaumetallic, schwarzes Leder. "Guter Zustand, Vollausstattung, TÜV und AU neu", heißt es lapidar in der mobile-Annonce, die Fotos bestätigen dies aussagekräftig. Allein der appetitliche Fond verleitet zum blinden Sofortkauf dieses Prachtexemplars.
Doch anders als viele alte Mercedes ist ein W 140 nicht unproblematisch. Die Fülle vernetzter, untereinander kommunizierender Steuergeräte (Can-Bus), macht vor allem Besitzern wartungsgestörter S-Klassen das Leben schwer. Heimtückisch kann sich auch der Verfall des Kabelbaums auswirken, dessen Ummantelungen sich gern auflösen. Zum Zwölfzylinder-Fahren gehört eben zur Leidenschaft auch die Leidensfähigkeit. Aber hält uns das wirklich ab? Nicht bei diesem Preis.