Mercedes Ponton-Diesel - Impression

Ein sparsamer und bequemer Zeitgenosse

Sie sind alt, lahm und laut. Ihre Besitzer lieben sie wie Haustiere. Eine halbe Million Kilometer hat jeder der drei Ponton-Diesel auf dem Buckel.

Mercedes Ponton Diesel Foto: Uli Jooß 15 Bilder

Mercedes Ponton Diesel sind Autos zum Leben. Originalitäts-Fanatiker und Concours-Fetischisten wenden sich kopfschütttelnd ab, wenn sie das betagte Ponton-Trio sehen. Der Chrom hat Pickel, der Lack ist stellenweise matt, und die Bakelit-Lenkräder tragen die Kampfspuren Hunderttausender von Kilometern. Sie wirken unternehmungslustig wie rüstige Rentner, die Spuren eines ereignisreichen Lebens sind ihnen ins Gesicht geschrieben. Einem fehlt sogar, welch Frevel, der Stern vorne drauf. Stattdessen schuf ein Silberschmied eine dreidimensionale Ohrmuschel-Plastik. Der Mann im 190 D ist Arzt, Hals-Nasen-Ohrenarzt.

Der Mercedes Ponton ist eher Haflinger als kaprizöses Vollblut

Sie stehen nur nachts in der Garage. Und wenn sich an einem sonnigen Wintertag feiner Salznebel auf die Windschutzscheibe legt, vertraut man auf hausgemachten Unterbodenschutz auf Altölbasis. Trotzdem lieben Thilo Kreiser, Dr. Wolfgang Weizsäcker und Martin Heynhold ihre Pontons länger und intensiver, als manche Ehe dauert. Alltagseinsatz passt zum Ponton-Diesel. Er ist eben eher Haflinger als kapriziöses Vollblut.
 
Das Treffen der Diesel-Triade geschah zwanglos und spontan, an einem Samstag im goldenen Oktober. Schon vorher nahm man sich wahr, dunkle Ponton-Mercedes fallen im Stuttgarter Großstadtverkehr mehr auf als getarnte Mercedes-Erlkönige. Start um elf Uhr in Fellbach vor dem Mercedes-Benz Classic Center, Ziel wird stressfreie 120 Kilometer später das Automuseum Langenburg im Hohenlohischen sein. Retour nach eigenem Gusto. Der Motor Klassik-Redakteur ist Beifahrer in Springerfunktion.

Ein Mercedes Ponton stammt von Stuttgarts ältestem Taxifahrer
 
Die drei Stuttgarter leben in und mit ihren alten Ponton-Dieseln. Die Autos tragen feine Spuren der Individualisierung. Maschinenbauer Thilo Kreiser, 44, fährt den frühen Ponton mit schmalem Kühlergrill seit 1981, kaufte ihn seinerzeit mit über 400.000 Kilometern von Stuttgarts ältestem Taxifahrer, dem 88-jährigen Georg Ohngemach. Der Berufs-Chauffeur erwarb das einstige Symbol des Wirtschaftswunders 1956 neu für 9.875 Mark.
 
Ein Jahr zuvor stieg die Leistung des aus dem 170 stammenden Oelmotors 636 von 40 auf 43 PS. Immerhin hatte der Diesel schon hängende Ventile, der seitengesteuerte Benziner ist nur einen Hauch temperamentvoller. Thilo Kreiser strebt wie der Vorbesitzer nach Rekorden. Im Frühling 2002 fuhr er mit dem 180 D von Stuttgart nach Teheran und zurück, 16.000 Kilometer ohne Panne in nur einem Monat. Der Ponton-Fahrer als Marathon-Mann - ihm ist Langstrecke lieber als Leistung. Verbrauch 6,9 Liter Diesel pro 100 Kilometer - und ohne eine einzige Reparatur.
 
Thilos 180 D ist liebevoll gesupert, hinter der nun klappbaren Lautsprecherblende des einstigen Dampfradios schlummert ein Becker Mexico Cassette aus einem W116. Und ein paar Zentimeter tiefer kommt ein Handrad zum Vorschein, auf das der Tüftler und Techniker mit künstlerischen Ambitionen besonders stolz ist: „Mit meinem Dampfrad hole ich ein paar PS mehr raus. Voll aufgedreht steigert es die Einspritzmenge, und ich kann die Gänge höher ausdrehen.“ Dabei verwandelt sich das sonst so beruhigende „Klonk, klonk!“ des OM 636 in ein zorniges Rattern, 3.700 Touren klingen plötzlich wie 6.000.

Der Mercedes Ponton ist ein idealer Reisewagen
 
Statussymbole bedeuten dem Arzt Dr.Wolfgang Weizsäcker, 56, nichts. Er verzichtet auf das „von“ im Namen, und auf den Stern am Kühler. Statt Rolex trägt er eine schmucklose Multifunktionsuhr und praktiziert monatelang in Afrika – er ist so etwas wie ein Arzt ohne Grenzen. Sport treiben und bildhauern ist sein Ausgleich, dazu zieht er sich mit seinem 190 D nach Südfrankreich oder Spanien zurück. Den Ponton, Baujahr 1959 mit breitem Kühler, bezeichnet er als idealen Reisewagen. „Ich weiß, es klingt seltsam, aber er strahlt eine ungeheure Gelassenheit aus und gibt einem das Gefühl, nach Tausenden von Kilometern sicher und entspannt anzukommen. Der Verkehr in seiner Hektik ist einem gleichgültig.“ Der Blick fällt auf das Wiking-Ponton-Modell über dem BMW Bavaria-Radio.
 
Während er das sagt, fahren wir mit konstant 100 km/h auf der B 14 nach Backnang, stoisch nimmt der Wagen die Kilometer in sich auf. Es dürften inzwischen eine halbe Million sein.Der OHC-Motor, Typ OM 621, läuft ruhiger als die alte Holzspaltmaschine aus dem Unimog, sein Nachfolger mit fünffach gelagerter Kurbelwelle tat noch bis 1985 im W123 Dienst. 1982 kaufte Weizsäcker den Ponton einem Studenten ab, es ist sein einziges Auto. Es funktioniert, er braucht kein anderes. Die breite Zierleiste um die Fenster-Gürtellinie unterscheidet ihn ebenso vom schlichteren 180 wie die Dreiecksfenster in den Vordertüren.

Das Faltdach des Mercedes Ponton fasziniert

Auf der Kocherbrücke steige ich in den Blauen um, er ist nicht nur wegen der freundlichen Farbe der schönste der drei Diesel. Obwohl sich die Sonne mit einem feinen Wolkenschleier umgibt, fasziniert der Blick durch das große Faltdach im 180 D, Baujahr 1961, schon mit breitem Kühler, aber noch mit dem alten Oelmotor OM 636, der zur Dauer-Legende besser passt als das OHC-Triebwerk.
 
Michael Heynhold, 48, ist Kraftfahrzeug-Meister und Inhaber einer freien Werkstatt in Stuttgart. Anders als die beiden anderen Ponton-Enthusiasten, die recht früh zu einem guten Exemplar fanden, suchte Heynhold die Herausforderung. Lange schon war er an dem 180 D, Baujahr 1961, dran, das große Faltdach reizte ihn besonders. Als sich der Vorbesitzer dann endlich 1992 von dem Wagen trennte, hatte er zwei Jahre im Freien gestanden.

Der Mercedes Ponton ist sehr sparsam
 
„Ich habe aus einer Ruine in jahrelanger Arbeit wieder ein richtiges Auto gemacht. Auch der Motor musste überholt werden, allein der Teileaufwand belief sich auf 5.000 Mark“, sagt Heynhold, während die Diagonalreifen in den engen Kurven des Jagsttales pfeifen. Ehefrau Uta hat den Diesel trotz früherer Vorbehalte ebenso ins Herz geschlossen: „Es ist zwar nicht mein Traumwagen“, gibt sie zu. „Aber es ist wenigstens ein richtiger Oldtimer, der nicht viel im Unterhalt kostet.“ Wie wahr. Am Ziel in Langenburg angekommen, misst Fürst Philipp, der entfernte Kindheitserinnerungen mit dem Ponton in Verbindung bringt, persönlich den Verbrauch von Thilos Taxi. Gerade einmal acht Liter Diesel fließen von der Moped-Zapfsäule in den 56- Liter-Tank im Heck – und wir waren zügig unterwegs.