Innocenti Mini Cooper 1300 Export im Fahrbericht

The Italian Job

Innocenti Mini Cooper - zehn Jahre lang, von 1965 bis 1975, wurde von Innocenti in Mailand die italienische Version des Minis produziert - mit dem Ergebnis, dass das Vorbild plötzlich auf einen höherwertigeren und besser verarbeiteten Zwilling traf.

Innocenti Mini Cooper 1300 Export, Front, Scheinwerfer Foto: Jörg Künstle 17 Bilder

Wie ein Wiesel räubert der Mini über die herrlich gewundene Landstraße, giert mit seinen Kulleraugen-Scheinwerfern förmlich nach der nächsten Kurve, um diese gleich darauf genussvoll zu vernaschen. Die, die ihm entgegenkommen, zeigen sich begeistert. Mit seinem Kindchen-Schema-Gesicht und den niedlichen Zehn-Zoll-Rädern hat er offensichtlich noch immer einen Schlag bei den Frauen, und die meisten Männer finden diesen Zwerg ohnehin ziemlich cool, weil er gleich drei Mal die Monte gewonnen hat.

Äußerlich kaum Unterschiede zum britischen Mini-Original

Dass es sich bei dem cremefarbenen Exemplar diesmal jedoch nicht um ein in der Mini-Heimat England produziertes Modell, sondern um dessen italienisches Innocenti-Derivat handelt, erkennt hingegen kaum jemand." Die äußerlichen Unterschiede sind allerdings auch gering", erklärt Besitzer Michael Schmidt, Spezialist für britische Klassiker aus dem schwäbischen Bietigheim-Bissingen. Dessen Innocenti Mini Cooper 1300 aus dem Jahr 1973 unterscheidet sich auf den ersten Blick nur durch einen leicht veränderten Kühlergrill sowie durch ausstellbare Dreiecksfenster in den Türen von seinem britischen Original.

Erst der Blick in den in Schwarz gehaltenen Innenraum offenbart größere Abweichungen - die Innocenti Mini, die von 1965 bis 1975 in den Hallen in der Mailänder Via Pitteri 81 für den italienischen Markt in Lizenz gefertigt werden, bestechen mit einer reichhaltigeren und liebevolleren Ausstattung, als es bei der britischen Vorgabe der Fall ist. Ein mit Leder bezogenes Sportlenkrad, große Staukästen an beiden Türen, Zigarettenanzünder sowie ein abblendbarer Rückspiegel und ein grauer Teppichboden zählen beim Italo-Mini bereits zur Serienausstattung.

Noble Innenausstattung im italienischen Mini-Klon

Die Sitze sind zwischen den Kunstledereinfassungen mit einem grauen Veloursstoff bezogen und wirken gegenüber den englischen Sitzgelegenheiten geradezu luxuriös. Das Highlight, schwärmt Schmidt, seien allerdings die vier kleineren und zwei großen Veglia-Rundinstrumente, die jedoch ausschließlich der 1300er-Top-Version vorbehalten sind. Tacho und Drehzahlmesser sitzen gut sichtbar in der Wagenmitte, links davon die Anzeigen für die Wassertemperatur, Batteriespannung und Öldruck, rechts der beiden großen Hauptinstrumente schließlich die Benzinuhr.

Doch damit sind die Mailänder Ingenieure offensichtlich noch lange nicht zufrieden. Sie verpassen ihrem Lizenz-Mini eine moderne Drehstrom-Lichtmaschine und liefern das Auto ab Werk mit Gürtelreifen aus. Der von 1973 bis 1975 produzierte Innocenti Mini Cooper 1300 erhält zudem eine Servo-Zweikreisbremse mit vorderen Scheibenbremsen, Halogen-Scheinwerfer, 4 1/2 Zoll messende Sportfelgen, einen Kühlerausgleichsbehälter sowie einen Ölkühler.

Engländer wollen den optimierten Italo-Mini

Rasch spricht es sich auch in England herum, was man südlich der Alpen mit der kultigen Kleinwagen-Ikone angestellt hat - es dauert nicht lange, bis die ersten importierten Italo-Minis zwischen London und Birmingham gesichtet werden. Für den England-Spezialisten Michael Schmidt ist der Fall ohnehin klar: "Der bessere Mini kommt tatsächlich aus Italien."

In seiner neuen und dazu traditionell kleinwagenverliebten Heimat verkauft sich der Mini erwartungsgemäß wie von selbst. Dort löst er den altbewährten und ebenfalls von Innocenti in Lizenz gebauten Austin Morris A 40 ab und wirkt gegenüber seinem direkten Konkurrenten Fiat 850 wesentlich moderner und zeitgemäßer.

Es sind vor allem die jüngeren Autofahrer, bei denen das von Alec Issigonis erdachte, radikale Konzept mit seiner optimalen Raumausnutzung ankommt: Einen quer eingebauten Motor und Frontantrieb gab es vorab zwar schon bei DKW, Trabant und Lloyd, doch erst beim Mini offenbart es sich als Gesamtkunstwerk aus Form und Funktion, welches bis heute nie wirklich aus der Mode gekommen ist.

Die kurze Motorhaube, die relative steil stehende Frontscheibe, die winzigen Räder und die extrem kurzen Überhänge lassen einen Mini so zeitlos und unverwechselbar wie kaum ein anderes Auto erscheinen. Doch seine wahre Stärke verbirgt der Mini in seinem Innenraum - dort scheint das Auto größer als von außen vermutet, weil es bei einer Länge von knapp über drei Meter Platz für vier Personen bietet und dabei selbst in den engen Gassen einer italienischen Altstadt nicht an den Häuserwänden aneckt.

Spurtstark und schnell - Innocenti Mini mit 64 PS

Trendig und günstig ist es obendrein. Es scheint, als hätte man in Italien nur auf dieses Auto gewartet. Und als 1300er auch richtig schnell. Unter der winzigen Haube arbeitet die Maschine des 1275 S, die dank zweier Schrägstromvergaser 64 PS leistet. Damit sprintet der Zwerg in 12,6 Sekunden von null auf Tempo 100 und rennt beachtliche 154 Sachen.

Als der britische Mutterkonzern im Sommer 1971 den bei Sportfans überaus beliebten 76 PS starken Mini Cooper S ersatzlos aus dem Programm streicht, muss die kontinentale Szene erst zwei lange Jahre warten, bis sie dank einiger findiger Importeure mit dem 1300er aus Italien wieder in einen wirklich sportiven Mini steigen kann.

Für Deutschland übernimmt diese Aufgabe der British Leyland-Spezialist Alfons Brüggemann. Der Innocenti Mini Cooper 1300 von Michael Schmidt stammt hingegen aus der Schweiz und besticht mit einem unrestaurierten Originalzustand. "Bei der Übergabe", erzählt der Besitzer, befanden sich sogar sämtliche Inspektionsunterlagen und alle Wartungsrechnungen an Bord des Autos."

Dienstfahrzeug einer Privatdetektivin

In der Dachmitte fällt jedoch einzig ein kleiner Chromknopf auf, der dort eigentlich nicht hingehört. Sein Mini, erklärt Schmidt, sei zuvor das Dienstfahrzeug einer Privatdetektivin gewesen, die es mit einer großen Funkantenne versehen habe. "In der linken Cockpitverkleidung sind noch die Löcher für die Aufhängung des dazugehörigen Funkgeräts zu sehen." Michael Schmidt will alles so belassen, wie es ist. Für ihn müssen seine Fahrzeuge authentisch sein, eine Geschichte erzählen.

Noch immer räubert der cremefarbene Mini über das schier endlose Netz leidenschaftlich verlegter Straßen, die sich durch den Schwäbischen Wald winden. Kilometerweit Kurven - quasi die Paradedisziplin des 1300er. Die Kombination aus straffem Fahrwerk, niedrigem Schwerpunkt und direkter Lenkung sorgt dafür, dass der Innocenti förmlich mit dem Asphalt verschmilzt. Fliehkräfte ignoriert das kleine Auto dabei ebenso wie ein scheinbares Leistungshandicap. Die bescheiden anmutende Motorleistung von 64 PS genügt bei diesem nur 690 kg leichten Flitzer vollauf, um überaus genussvoll durch den modernen Verkehr zu wildern.

Stabile Kurvenlage statt Komfort

Dass dabei der Komfort zwangsläufig irgendwo auf der Strecke geblieben ist - Schwamm drüber. "Die vorn an Querlenkern und hinten an Längslenkern einzeln aufgehängten Räder haben nur sehr begrenzte Federwege zur Verfügung, die einer stabilen Kurvenlage eindeutig nützlicher sind als ausgeprägtem Federungskomfort. Die verwendeten Gummifedern haben zusammen mit den kleinen Rädern und kurzem Radstand von nur 2.036 mm in der Tat allergrößte Mühe, wenigstens für ein Mindestmaß an Federung zu sorgen", heißt es in auto, motor und sport (Ausgabe 19/1974).

Testredakteur Helmut Eicker empfiehlt dann auch passenderweise, großen Fahrbahnunebenheiten tunlichst aus dem Weg zu gehen. Es fällt schwer, das Auto schließlich wieder bei seinem Besitzer abzustellen. Der weiß schon lange, was er an seinem Nobel-Mini made in Italy hat und denkt nicht einmal im Traum daran, ihn herzugeben.

Innocenti

Das Mailänder Unternehmen Societá Anonima Fratelli Innocenti wurde 1937 gegründet. Einen Namen machte sich das Unternehmen durch den ab 1947 produzierten Lambretta-Roller - dessen Verkaufserfolg ermutigte Innocenti, Automobile zu produzieren.

Der erste Innocenti war der Lizenzbau des Austin A 40, später folgten der Mini sowie der Austin Allegro. Ab 1974 baute Innocenti einen von Bertone gestylten Mini-Nachfolger und war unter anderem für die Endmontage des Maserati Biturbo zuständig. Die Firma wurde 1990 aufgelöst.