Ferrari 328 GTB im Fahrbericht
Volltreffer für Sportwagenfans
Der Ferrari 328 GTB - wirklich nur ein Brot- und-Butterferrari? Von wegen! In der Summe seiner Eigenschaften entpuppt sich dieses Auto als ein echter Volltreffer für jeden Sportwagenfan.
18.04.2012 Michael SchröderDie Luft wird dünner - wer bereit ist, bis zu 50.000 Euro für einen Sportwagen anzulegen, darf einiges erwarten. Exklusivität zum Beispiel. Und selbstverständlich jede Menge Power. Ein klangvoller Name sowie eine ruhmreiche Ahnengalerie zählen in dieser Liga ebenfalls zum guten Ton - jetzt, verehrte Leser, geht es allmählich ans Eingemachte, werden Gedanken an Alltagstauglichkeit oder Ökonomie für einen Moment in die zweite Reihe verbannt, dreht sich alles nur noch um den Leistungssport. Der Tipp der Redaktion für einen reinrassigen Sportwagen in dieser Preiskategorie heißt Ferrari 328 GTB.
Der Ferrari 328 GTB ist ein Sportwagen wie aus dem Lehrbuch
Natürlich ist dieses Auto rot - wie es sich für die Rennwagen aus Maranello schon immer gehörte. Und es ist flach, kauert nur eine Handbreit über dem Asphalt, scheint jederzeit bereit, über einen potenziellen Gegner herzufallen. Kaum ein anderes Fabrikat vermag die Fantasie so anzuregen wie ein Ferrari, dabei spielt es keine Rolle, dass der 328 seinerzeit als günstigstes Modell des Hauses in der Firmen-Hierarchie ganz unten angesiedelt war. Also nur ein Brot-und-Butter-Ferrari? Von wegen!
Pininfarinas Entwurf verfügt aus jedem Blickwinkel über Lehrbuchcharakter: eine breite geschwungene Front, zwei markante pfeilförmige Lufteinlässe in den Flanken und ein kräftiges Hinterteil - Ferrari tat gut daran, den knackigen Maßanzug des zehn Jahre lang gebauten Vorgängermodells 308 quasi unangetastet für den 1985 präsentierten Ferrari 328 zu übernehmen.
Einzig ein paar Retuschen am Frontgrill und an den Stoßfängern schienen notwendig, um das Auto optisch auf die Höhe der Zeit zu bringen. Unter der Motorhaube des Ferrari 328 waren dagegen umso mehr Eingriffe erforderlich - mit dem 240 PS starken Vorgänger 308 war gegen Mitte der Achtziger kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Der Hubraum des Achtzylinders, dessen Bauweise laut Ferrari ihren Ursprung in einem 1,5-Liter-Formel-1-Triebwerk hat, wuchs von 2.926 cm3 auf 3.185 cm3, ferner wurden eine modifizierte Kurbelwelle sowie schärfere Nockenwellen implantiert und die Verdichtung erhöht. Das Ergebnis: gesunde 270 PS.
Schneller als ein Porsche 911 Carrera 3.2
Genug Leistung, um in 5,8 Sekunden auf 100 km/h zu sprinten und bei Bedarf mit Tempo 267 über die Bahn zu stürmen - immerhin beachtliche 13 km/h mehr als ein Porsche 911 Carrera 3.2. Ferrari war mit dem 328 also wieder im Rennen.
So einem Auto wie dem Ferrari 328 GTB nähert man sich besser mit Respekt. Und mit etwas Zeit, um das Gebotene vor dem Start in Ruhe wirken zu lassen. Der Blick fällt sofort auf den Schalthebel, der aus einer offenen Metallkulisse ragt und bei dem es sich um nichts anderes als um eine 20 Zentimeter lange, verchromte Stahlstange handelt, die am oberen Ende eine schwarze Kunststoffkugel trägt. Die Botschaft kommt unmissverständlich an: Vieles an diesem Auto - dem letzten zu Lebzeiten von Enzo Ferrari entstandenen Seriensportwagen - ist auf seine pure Funktion reduziert und den strengen Gesetzen des Sports unterworfen.
Der Rest der Kabine des Ferrari 328 GTB präsentiert sich dagegen mit dezenter Noblesse. Angenehm straff gepolsterte Ledersitze, ein ebenfalls mit Leder bezogenes Instrumentenbrett, eine für Fahrer und Beifahrer separat regulierbare Heizung sowie elektrisch zu betätigende Fensterheber und Außenspiegel. In dieser Preisklasse - ein Ferrari 328 GTB kostete 1985 rund 112.000 Mark - kommt selbst ein reinrassiger Sportwagen nicht um ein Mindestmaß an Luxus sowie eine tadellose Verarbeitung herum.
Wie von selbst greift die rechte Hand im nächsten Moment zum Zündschlüssel des Ferrari 328 GTB. Die quer eingebaute V8-Maschine reagiert spontan, nimmt mit leicht erhöhter Leerlaufdrehzahl direkt hinter dem Rücken des Fahrers ihre Arbeit auf, fordert sofort zum Tanz. Allein schon dieses tiefe Standgas-Brabbeln des V8 scheint nur eine Botschaft zu kennen: Fahren, jetzt!
Genau so muss sich ein Sportwagen anfühlen
Die ersten Kilometer dienen der Eingewöhnung. Nebenbei müssen zehn Liter Motoröl und 22 Liter Kühlwasser auf Betriebstemperatur gebracht werden. Dann aber - Feuer frei! Erster, zweiter, dritter Gang. Der Schalthebel klackt wie von selbst durch die chromblitzende Kulisse, und es ist die schiere Pracht, wie dieses Triebwerk spontan auf jeden Gasbefehl reagiert und dabei in jeder Stufe mühelos in einem Zug bis auf 7.500 Touren dreht. Der Lärm aus dem Maschinenraum dringt durch die dünne Schottwand nahezu ungefiltert in die Kabine, heizt ein wie ein zu laut gespielter Rocksong. Jeder Gasstoss wird dabei vom Körper wie ein Aufputschmittel absorbiert - genau so muss sich ein Sportwagen anfühlen. Je schneller, desto besser.
Und genau so sollte er auch fahren: unbeirrbar geradeaus und unverrückbar in den Kurven. Die Lenkung des Ferrari 328 GTB - leichtgängig und präzise. Richtungswechsel geschehen spontan und neutral, was zu einem grossen Teil am geringen Trägheitsmoment des Mittelmotor-Sportwagens liegen dürfte. Ganz bestimmt wird es einiges an Übung brauchen, bis die Möglichkeiten eines 328 voll ausgeschöpft sind. Nun aber die wichtigste Frage: Gibt es Alternativen zum 328? Gemessen an der Motorleistung - ja. Die Luft wird jedoch dünner, wenn es um Exklusivität, um einen klangvollen Namen oder eine ruhmreiche Ahnengalerie geht.
Ferrari 328 GTB-Alternativen bis 60.000 Euro
Selbstverständlich finden sich in dieser Preisklasse interessante Alternativen, die entweder über Kraft im Überfluss verfügen oder absolute Minimalisten sind. Wir nennen drei Beispiele, die einen Blick lohnen.
Aaston Martin DBS V8
Zwei Jahre nach dem Debüt des DBS (1967) versah der britische Automobilhersteller Aston Martin den kantigen Sportwagen mit einem 5,3-Liter-V8-Aggregat. Dieses Triebwerk stammt von dem hauseigenen Motorenentwickler Tadek Marek und leistet rund 340 PS - genug Power für eine Höchstgeschwindigkeit von 270 km/h und um im Revier der Supersportwagen für Aufruhr zu sorgen. Viele Pannen trübten jedoch das Image des Autos.
Renault Alpine A 110 1600
Spätestens nach zwei Siegen bei der Monte (1971 und 1973) wusste die Welt, dass diese französische Kunststoff-Flunder ein durchaus ernst zu nehmender Sportwagen ist. Ihr Rezept: absoluter Minimalismus – bei einem Gewicht von nur 820 Kilogramm reichen die rund 110 PS des 1600er-Triebwerks für Tempo 220. Dafür müssen Piloten jedoch in Kauf nehmen, dass in einem nur 113 Zentimeter flachen Auto Platz ein Fremdwort ist.
Motor Klassik-Geheimtipp: De Tomaso Pantera
Klassisches italienisches Sportwagen-Design gepaart mit geballter US-Power – mit dem vergleichsweise günstigen Pantera erreichte De Tomaso erstmals nennenswerte Verkaufszahlen. Der 5,8-Liter-V8 von Ford im Heck der selbsttragenden Monocoque-
Struktur leistet rund 330 PS und galt als so standfest wie das Fahrwerk, das sogar noch ein paar Pferdestärken mehr hätte verkraften können. Ein besonderer Sportwagen mit Exotenstatus.
Sicherheitstraining - das Auto beherrschen, in jeder Situation
Ohne größere Risiken lässt sich der Grenzbereich eines Autos am besten in Verbindung mit einem Sicherheitstraining erfahren. Der ADAC bietet Oldtimern-Besitzern ein maßgeschneidertes Sicherheitstraining an (+49 (0)1805 121012; www.adac.de ). Sportlicher geht es bei der Scuderia Hanseat (www.scuderia-hanseat.de , +49 (0)40 3905086) zu, deren Training auf dem Nürburgring stattfindet. Der Porsche-Spezialist Michael Küke organisiert ebenfalls sportlich orientierte Trainings (+49 (0)201 623380; www.kueke.com).