BMW CSL, Ford Capri und Porsche Carrera
Die schärfsten Sechszylinder der 70er
BMW 3.0 CSL, Ford Capri RS 2600 und Porsche Carrera RS haben eines gemeinsam: Sie haben Rennsportgeschichte geschrieben. Sie haben Seltenheitswert. Und sie begeistern, wann immer man auf sie trifft. Doch sonst sind sie grundverschieden.
BMW 3.0 CSL, Ford Capri RS 2600 und Porsche Carrera RS stehen nebeneinander – vor den drei Sportwagen erstreckt sich eine rund 1.000 Meter lange Start- und Landebahn. 1.000 Meter Asphalt, der nichts anderes kennt als extreme Beschleunigungs- und Bremsmanöver. Interessiert beobachten die Betreiber des Flughafens von Fürstenfeldbruck die ungewohnte Formation am Ende der Piste.
Drei überzeugende Sechszylinder
Im nächsten Moment stürmen ein Porsche Carrera 2.7 RS, ein Ford Capri RS 2600 und ein BMW 3.0 CSL in enger Formation über die breite Gerade. Angetrieben von bestens aufgewärmten Sechszylinder-Triebwerken, die sich in jeder Gangstufe bis kurz vor den roten Bereich austoben dürfen. Im Vorbeifahren hinterlässt dieses Trio einen dermaßen ergreifenden, akustischen Gesamteindruck, dass sämtliche Zaungäste kurz davor sind, Beifall zu klatschen.
Am Ende der Bahn ein Wendemanöver, gleich darauf kommen die Wagen zum Stillstand. Drei zivile Homologationsmodelle, stärker und leichter als ihre jeweilige Serienverwandtschaft: Anfang der 70er Jahre hatten BMW, Ford und Porsche ihre schärfsten Modelle noch einmal einer radikalen Kur unterzogen, um eine aussichtsreiche Basis für den Rennsport zu erhalten.
Leichtbau-BMW ist der seltenste
Mit gerade einmal 939 gebauten Exemplaren entpuppt sich der knallgelbe, 200 PS starke BMW 3.0 CSL (das L steht für Leichtbau) aus dem Jahr 1973 als rarester Bolide dieses Trios. Addiert man die etwas früheren 169 Vergaser-CSL mit 180 PS sowie die 176 Exemplare der letzten CSL-Variante mit 3.153 cm³ und 206 PS hinzu, kommt man auf insgesamt 1.265 Fahrzeuge, die schließlich von der 1973 gegründeten BMW Motorsport GmbH unter der Leitung von Jochen Neerpasch nachhaltig abgespeckt wurden. Zweck des Unternehmens: BMW wollte in der Gruppe 2 der Deutschen Rennsportmeisterschaft endlich die Ford Capri einfangen.
Entsprechend gründlich gingen Neerpasch und sein Team beim intern E9 genannten CS-Coupé zur Sache. Nahezu jedes Bauteil des BMW kam auf die Waage und wurde – sofern möglich – durch ein leichteres ersetzt. Motorhaube, Türen und Kofferraumdeckel fertigte die Motorsport GmbH aus Aluminium, das Dach, die Trennwand zum Gepäckraum, die Radhäuser sowie die vorderen und hinteren Seitenwände aus Dünnblech. Für die Heck- und Seitenscheiben kam nur Plexiglas in Frage, die Hebemechanismen der Hauben wurden durch simple Haltestäbchen und die bequemen Sessel für Fahrer und Copilot durch leichte Schalensitze ersetzt. Selbst das Bordwerkzeug war eine Spur spärlicher bestückt als beim Serien-Coupé.
Anderes wurde als unnützer Ballast gekennzeichnet und gleich ganz weggelassen – die vordere Stoßstange, die elektrischen Fensterheber, die Servolenkung und fast das komplette Dämmmaterial. Unterm Strich blieben rund 235 Kilogramm auf der Strecke – mit einem neuen Gesamtgewicht von 1.165 Kilogramm ging ein BMW 3.0 CSL durchaus als Spitzensportler durch.
Seine Erkennungsmerkmale gegenüber der Serienversion: schwarze aufgeklebte Seitenstreifen mit dem CSLSchriftzug und Radlaufchrom. Letzteres bewirkt eine Verbreiterung der Kotflügel um jeweils zwei Zentimeter – dringend benötigter Raum für die sieben Zoll breiten Leichtmetallfelgen.
Kennt keine Verschnaufpause – Dreiliter-Reihensechser zieht wie ein Bulle bis 218 km/h
Das von vornherein bärenstarke Triebwerk aus dem BMW CS-Coupé blieb nahezu unangetastet. Einzig die Verwendung von Kolben und Zylindern der zweiten Übergröße sorgte für einen effektiven Hubraum von 3.003 cm³. Ohne Dämmmaterial dringt bereits im Standgas ein sonores Grummeln in die Kabine. Die Tonlage ändert sich jedoch, wenn der Wagen ernsthaft in Schwung gerät. Dann faucht die Maschine in hellen Tönen und treibt den BMW 3.0 CSL in 7,1 Sekunden von null auf 100. Damit kann man sich heute noch sehen lassen. Der Dreiliter-Sechszylinder giert nach Gas und schnellen Gangwechseln über das exakt zu schaltende Getriebe. Und zieht wie ein Bulle. Ob man sich nun bei Tempo 80 oder 180 befindet – es geht einfach nur voran. Bis zum Topspeed von 218 Sachen, womit der BMW 3.0 CSL nahezu uneinholbar war.
Den BMW 3.0 CSL-Motor dürfen sich viele moderne Aggregate auch heute noch als Maßstab nehmen. Selbst bei Drehzahlen jenseits der 5.000er-Marke wirkt dieses Triebwerk nicht übermäßig angestrengt, sondern begeistert vielmehr mit einer einmaligen, samtig weichen Laufkultur. Ein letztes Mal im BMW 3.0 CSL über die Startbahn. Das sportlich-straff abgestimmte Fahrwerk, versehen mit progressiven Federn, härteren Bilstein-Stoßdämpfern und einem Differenzial mit 25-prozentiger Sperrwirkung, verführt geradezu zu gewagten Slalommanövern (in Gedanken stürmt der Autor einen Alpenpass hinauf).
Der BMW 3.0 CSL verhält sich sehr lange Zeit sehr neutral, verteidigt einen einmal eingeschlagenen Kurs wie ein Löwin ihren Nachwuchs. Wenn dann das Heck dennoch auszubrechen droht, genügen minimale Korrekturen am Lenkrad, um nicht im letzten Moment doch noch die Bodenhaftung zu verlieren.
Ford-V6: Viel Aufwand für 25 Extra-PS
Fahrzeugwechsel. Raus aus dem BMW 3.0 CSL, rein in den Ford Capri RS 2600. Erst jetzt stellt sich das Gefühl ein, in einem waschechten Sportwagen zu sitzen. Was nicht am nachträglich eingebauten Käfig und den Vierpunkt-Renngurten liegt. Sondern an der gefühlt mindestens 50 Zentimeter tieferen Sitzposition. Die Hände greifen nach einem winzigen, tief geschüsselten Lenkrad, und der Blick haftet auf einem in Mattschwarz gehaltenen Cockpit. Gegen die Coolness im vergleichsweise engen Ford Capri RS 2600 geht ein BMW 3.0 CSL als familientaugliche Limousine mit einer gehörigen Portion Wohlfühlambiente durch.
Der Ford Capri RS 2600 klingt zudem schon im Leerlauf zorniger, vielversprechender. So, als wolle er durch die zwei Endrohre seiner Auspuffanlage der Welt mitteilen, dass er als herausgeputzte Basis für den Rennsport mit 150 PS nun endlich über die Leistung verfügt, die zum Auftritt des Ford Capri passte – bis zur Präsentation des Capri RS 2600 im Herbst 1970 markierten 125 PS das Ende der Fahnenstange. Zu wenig, um wirklich ernst genommen zu werden.
Als Grundstock für den Antrieb unter der langen Haube musste die Maschine des Ford Capri 2600 GT herhalten, deren Hubraum auf 2.637 cm³ vergrößert wurde. Doch anders als beim BMW-Motor waren hier größere Tuningmaßnahmen erforderlich: Erst eine höhere Verdichtung, eine vom britischen Leistungsspezialisten Weslake abgestimmte Kugelfischer-Einspritzpumpe sowie ein Fächerkrümmer brachten die gewünschte Power.
Ein RS ist saumäßig schnell. Immer.
Das Ford Capri RS 2600-Fahrwerk erhielt Bilstein-Gasdruckstoßdämpfer und wurde um 25 mm abgesenkt. Im Verbund mit den sechs Zoll breiten Alu-Felgen und der bei allen RS-Modellen farblich dunkel abgesetzten Motorhaube muss ein Ford Capri RS damals in den Rückspiegeln so übermächtig wie ein Fahrzeug aus Batmans Fuhrpark gewirkt haben. Knapp 5.000 RS sollen entstanden sein. Verantwortlicher Kopf hinter diesem Projekt war der junge Jochen Neerpasch – vor seinem Wechsel zu BMW.
Ab auf die Bahn und durchladen. Der erste Eindruck? Ein Ford Capri RS 2600 ist saumäßig schnell. Immer. Dass er dem 50 PS stärkeren BMW im Durchzug und bei der Höchstgeschwindigkeit unterlegen ist – Schwamm drüber. Wer sich dennoch darüber ärgerte, konnte damals bei den Ford-Vertretungen Plexiglasfenster und Kunststoffteile für die Hauben und Türen erstehen. Das Wagengewicht ließ sich damit von 1.050 auf 890 Kilogramm reduzieren.
Zweiter Eindruck: So ein straff abgestimmer Ford Capri RS 2600 schert sich nicht die Bohne um Komfort, und seine hintere Starrachse mag einfach keine schlechte Straßen. Andererseits ist er ein begnadeter Drifter, einer, der förmlich nach der nächsten Ecke giert und am Ende mit leicht heraushängendem Hinterteil zum Star in jeder Showkurve mutiert. 15.800 Mark verlangte Ford für diesen machohaften Boliden. Ein Sonderangebot für so viel Fahrspaß.
Schnellstes Serienauto 1973: Porsche Carrera RS 2.7
Mit 33.000 Mark kostete ein Porsche Carrera RS 2.7 mehr als das Doppelte. Dafür rannte dieser Über-Elfer mit dem markanten Heckspoiler 240 Stundenkilometer – 1973 besaß man damit für lange Zeit das schnellste Serienauto im Land. 500 Exemplare hätten für die Homologation genügt. Doch als die Fans der Marke kurz davor waren, vor Begierde in den Wahnsinn zu verfallen, rückte Porsche mit weiteren 1.080 Porsche Carrera RS heraus. Nicht wenige würden Haus und Hof für so einen 911er in Grand-Prix-Weiß mit grünem Carrera- Schriftzug verpfänden.
Alles ist bei dem Porsche Carrera RS auf Tempo ausgelegt. Mehr Leistung, klar. Dazu wurde der 190 PS starke Boxer aus dem Porsche 911 S 2.4 auf 2,7 Liter aufgebohrt. Und weniger Gewicht, logisch. Dünneres Blech für die Karosserie, Dünnglas, kein Dämmmaterial und eine Innenausstattung so karg wie eine Mönchszelle. Selbst Cockpituhr und die Sonnenblende für den Copiloten fielen dieser radikalen Kur zum Opfer. Wie auch die Türöffner. Sie wurden gegen die Lederriemen eines Fiat 600 getauscht. Resultat des Abspeckens waren 210 gesunde PS bei einem Fahrzeuggewicht von 1.010 Kilogramm. So setzt man Maßstäbe.
Ganz so spartanisch wollten die meisten Porsche Carrera RS-Kunden ihren Wagen dann wohl doch nicht. Sie entschieden sich für die wieder voll ausgestattete Touring-Version, die auch das Fotomodell schmückt. Offensichtlichster Unterschied (neben der Uhr und der Sonnenblende): gepolsterte Sitze anstelle der kargen Wannen. Damit war der Wagen 2.000 Mark teurer, rund 100 Kilogramm schwerer und 0,6 Sekunden langsamer beim Standardsprint. Aber immer noch konkurrenzlos.
Der Käfer fährt in Gedanken mit
Links vom Lenkrad des Porsche Carrera RS steckt bereits der Schlüssel im Zündschloss. Ein Dreh, und die Benzinpumpe summt. Eine weitere Drehung, und der Sechszylinder-Boxer springt an, geht mit einem aggressiven Bollern sofort in Angriffshaltung. Umso erstaunlicher, wie kinderleicht sich so ein Sportwagen in Bewegung setzen lässt. Kupplung, Schaltung, Lenkung – alles wie beim Käfer. Irgendwie zumindest.
Ab 3.000 Umdrehungen jedoch verblasst die Erinnerung an den Bestseller aus Wolfsburg. Vertrieben von diesem einmaligen Fauchen aus dem Heck, das wie eine klare Ansage ins Gehirn dringt: Gas geben, jetzt! Der Drehzahlmesser schießt in Richtung der 6.000er-Marke, zweiter Gang, diesmal bis sechsfünf; dritter Gang, der Fuß drückt voll durch. Da ist es, dieses unnachahmliche Schreien. Heiser und zornig. Mein Gott, wie haben die das bei Porsche nur hingekriegt? Das Ende der Bahn kommt viel zu schnell. Der Porsche Carrera RS dreht quasi auf der Stelle. Seitenneigung ist ihm dabei völlig fremd, und jeder Lenkbefehl wird direkt umgesetzt. Man spürt sofort, dass ihm Kurven liegen, schnelle ganz besonders.
Ein letztes Mal muss der imaginäre Alpenpass herhalten, dann ist Schluss für heute. Oder fast. Einmal geht noch. Nur ein einziges Mal noch diesen Motor spüren, die Gänge ausdrehen. Droge Carrera. Ein paar Sprints über eine abgesperrte Landebahn genügen, und man ist drauf. Einfach so. Zurück zu den beiden anderen, die bereits für die Fotoproduktion aufgereiht auf den Porsche warten. Was für ein Trio! Der gestrippte BMW 3.0 CSL – zeitlos elegant und voller Power. Der Capri RS 2600 mit seinem brutalen Muscle-Car-Charme. Der Porsche Carrera RS als ultimativer 911er-Ableger. Es fällt schwer, nicht doch noch Beifall zu klatschen.