BMW 325i Touring im Fahrbericht
Dreier-Kombi als Blaue Mauritius
Gut erhaltene Touring-Versionen der zweiten BMW 3er-Baureihe sind heutzutage überaus selten, insbesonders in Top-Motorisierung und Ausstattung. Wer einen auftreibt, sollte ihn unbedingt aufbewahren.
Auf diesen Anruf habe ich jahrelang gewartet, doch jetzt kommt er ein wenig unpassend. Wir stehen gerade am Start einer Sonderprüfung bei der AvD-Histo-Monte, noch drei Autos vor uns, als auf einmal das Mobiltelefon bimmelt: „Bist du noch an dem BMW interessiert?“ fragt ein Kollege. „Klar“, antworte ich hastig, „aber ich kann jetzt nicht. Ich melde mich, wenn ich wieder zurück bin – gib ihn bloß nicht in falsche Hände!“
3er-Touring als Ausstattungswunder
Vier Tage später fährt der ältere Kollege seinen BMW 325i Touring in der seltenen Sonderfarbe Lazurblau-metallic aus der Garage in Stuttgarter Halbhöhenlage und macht eine einladende Handbewegung: „Bitte.“ Der Wagen ist ein Traum. Ich bin kein Ausstattungsfetischist wie der liebe Alf Cremers, der bei jedem Modell genau weiß, welche Attribute zur Serie gehörten, was nur auf der Aufpreisliste zu finden war und welcher Betrag in welchem Jahr dahinter stand (wie merkt der sich das bloß?) – aber hier bin auch ich beeindruckt.
Der BMW 325i Touring besitzt, wie Alf später feststellt, „eigentlich alles außer Automatik“ (Na Gott sei Dank, möchte ich hinzufügen): Metallic-Lackierung, Sportsitze, sportliche Fahrwerksabstimmung mit Niveauregulierung, M-Technik-Sport-Lederlenkrad inklusive Lederschaltknauf, Servolenkung, Lederausstattung, elektrische Fensterheber vorn und hinten, elektrisches Schiebedach, Geschwindigkeitsregelung, Bordcomputer, Kassetten-Radio BMW Bavaria C, Sound-System, automatische Antenne, Kassettenhalterung (mit „Füllstandsanzeige“), Leseleuchten, Frontscheibe mit Grünkeil – hab ich was vergessen?
Den Grundpreis des BMW 325i Touring für den „ von exakt 51.000 Mark (Preisliste von 1991) heben diese paar Kleinigkeiten auf weit über 60.000. Dazu lässt der Kollege etwa ein Jahr nach Auslieferung im August 1991 – zuvor war der Wagen zwei Monate im internen BMW-Fuhrpark unterwegs – noch eine Klimaanlage für knapp 3.200 Mark nachrüsten.
Der 325i ist top-gepflegt – und aus kundiger Hand
Der BMW 325i Touring steht auf gut profilierten Winterreifen mit tadellosen Radkappen, passende Schneeketten liegen im Gepäckraum. Darüber befinden sich, sauber und einzeln in Segeltuch verpackt, vier Leichtmetallfelgen in dem wunderbaren Kreuzspeichen-Design, natürlich mit neuwertigen Sommerreifen. “Die originalen, grauen Velours-Fußmatten habe ich damals gleich gegen schwarze getauscht, damit sie nicht so schnell verschmutzen„, erklärt der Kollege und überreicht mir noch ein Paket mit den unbenutzten Fußmatten. Schon zu seiner Zeit als Chefredakteur eines Schwestermagazins war er für seinen äußerst peniblen Umgang mit ihm anvertrauten Testwagen bekannt – und für den unnachgiebigen Bannstrahl, der jeden traf, der es nicht so hielt.
Mit derselben Sorgfalt hat der Kollege auch stets den BMW 325i Touring behandelt. Jahrelang habe ich den Touring ständig auf seinem Parkplatz bewundert und dem Kollegen eingeschärft: “Wenn er jemals verkauft wird – ruf mich bitte als erstes an.„ Natürlich hat der lazurblaue Metallic-Lack Gebrauchsspuren, es gibt auch eine kleine Delle, die Heckklappe zeigt den üblichen Kantenrost, und das Triebwerk schwitzt ein wenig. Und natürlich hat der Kollege vor der Übergabe probiert, ob die 170 PS nach ziemlich genau 180.000 Kilometern noch immer für Tacho 230 genügen. “Macht er immer noch„, grinst er fröhlich, als er Schlüssel, Ersatzschlüssel und eine Dokumentenkladde mit der Vollständigkeit eines Dossiers überreicht.
Grandioser M20-Reihensechser mit einem Haken
Endlich gehört er mir, der Himmel reißt auf, also los. Zündschlüssel umdrehen, fünf grüne LED signalisieren viel Zeit bis zur nächsten Inspektion, der Motor des BMW 325i Touring springt sofort an und betört mit dem typischen BMW-Sechszylinder-Fauchen aus den beiden Endrohren. Das intern M20 genannte Triebwerk mit einer obenliegenden Nockenwelle und zwei Ventilen je Brennraum ist feinster bajuwarischer Maschinenbau. Konstruktiv nichts Revolutionäres, aber alles fein gemacht aus bestem Material. Einziger Schwachpunkt: Der billige Zahnriemenantrieb der Nockenwelle, der alle 60.000 Kilometer gewechselt werden will und wofür man das halbe Auto zerlegen muss. Alf sieht das mit den Zahnriemen-Wechselintervallen nicht so eng, aber der empfindet Drehzahlen über 4.000 auch als höchst ungebührlich.
Der Motor des BMW 325i Touring hingegen liebt hohe Drehzahlen und stürmt erst jenseits der Alf-Grenze richtig voran; bei Bedarf eilt der 2,5-Liter in etwas über acht Sekunden auf 100, und die Tacho 230 sind laut auto motor und sport-Messwerten echte 217 km/h. Wobei an der siebenfach gelagerten Kurbelwelle schon knapp über Leerlaufdrehzahl genug Drehmoment anliegt, damit der per aufwendiger Bosch-Motronic versorgte Leichtmetall-Motor problemlos Gas annimmt, und im normalen Betrieb geht die Drehzahlmessernadel selten über 4.000.
Doch es macht einfach Spaß, die Maschine des BMW 325i Touring hochzujubeln. Der Sechszylinder ist ein klassischer, kräftiger Sportmotor – was mir wesentlich besser gefällt als etwa ein moderner Diesel, der erst in ein Loch fällt, dann losstürmt wie ein Berserker, um kurz darauf wieder in sich zusammenzufallen wie ein Soufflé.
Knackiges Getriebe, spurstabiles Fahrwerk
Zum Motor des BMW 325i Touring passt das BMW-typische, wunderbar knackige Getriebe mit dem gut zur Hand liegenden Schaltknauf. Jeder Gangwechsel bereitet Freude, und zum Glück haben die Münchner noch nicht gemerkt, dass sie eigentlich für ihre Schaltgetriebe gegenüber den Automatik-Wandlern Aufpreis verlangen sollten.
Generell ist man im BMW 325i Touring ziemlich schnell ziemlich flott unterwegs, was angesichts der zielgenauen Lenkung, des spurstabilen Fahrwerks und vier großzügig bemessener Scheibenbremsen kein Problem darstellt. Die Kurvengeschwindigkeiten sind auch nach heutigen Maßstäben erstaunlich hoch, erst sehr spät drängt das Heck leicht nach außen. Im Winter sieht die Sache natürlich anders aus: Auf verschneiter Bahn gelingen auch Ungeübten beliebige Driftwinkel, bei schlimmen Verhältnissen empfiehlt sich zur besseren Traktion ein Zusatzgewicht im Gepäckraum.
Dieser ist übrigens nicht wirklich groß und zudem schwer zu beladen, weil die großen Rückleuchten links und rechts die Ladeöffnung begrenzen. Zum Glück zählt Umziehen nicht zu meinen Hobbys, und ich sammle auch keine Waschmaschinen. Motorradteile oder Sportgerät hingegen finden im BMW 325i Touring problemlos Platz, und zumindest für Letzteres war der Touring schließlich auch gedacht, als er als Lifestyle-Kombi 1988 die BMW 3er-Baureihe der Generation E30 bereicherte – und im Unterschied zum glücklosen 02-Touring (1971 bis 1974) ein Erfolg wurde.
Die begehrtesten E30-Dreier
Das liegt natürlich auch an der feinen Karosserielinie, wie überhaupt die zweite BMW 3er-Generation als rundum gelungen bezeichnet werden kann. Weder der Vorgänger E21 noch der Nachfolger E36 reichen an den E30 heran, er ist der legitime Erbe des agilen 02, und saubere Exemplare befinden sich längst in gut gelüfteten Garagen kluger Sammler. Begehrt sind neben M3 und 318is, dem M3 des kleinen Mannes, vor allem die Cabrio-Versionen – und die wenigen Touring, die in Top-Motorisierung und Ausstattung wie dieser BMW 325i Touring überlebt haben.
Womit wir zum Ende gelangen und ich nach all der Schwärmerei die Karten auf den Tisch legen muss: Nach zwei glücklichen Jahren mit dem lazurblauen BMW 325i Touring habe ich ihn weitergereicht. Man kann in diesem Gewerbe einfach nicht wirklich einem einzigen Auto treu bleiben, jedenfalls nicht allzu lange. Ein BMW-Freund und -Sammler kümmert sich künftig um den schnellen Touring und wird auch die kleine Beule beheben. Pass gut auf ihn auf, Andy.