NitrolympX Hockenheim - Dragster-Rennen mit Oldies
Mit 2.500 PS schwarze Striche malen
Bei den NitrolympX in Hockenheim dauert der Renneinsatz eines Dragsters nicht viel länger als eine Minute. Mehr als 200 Autos stellen sich dem Duell auf der Asphaltpiste. Die meisten davon sind umgebaute Oldtimer, sie bieten dem begeisterten Publikum eine heiße, knallbunte Racing-Show.
Seit mehr als 20 Jahren tobt in der Dragster-Klasse für Autos mit Straßenzulassung ein erbitterter Zweikampf: Europa gegen Amerika, vier gegen acht Zylinder, Schaltgetriebe gegen Automatik, Florett gegen Streitaxt.
Auch bei dem 24. Internationalen Dragster-Event in Hockenheim, den fast unaussprechlichen "NitrolympX", stehen sich jetzt ein giftgrüner VW Käfer mit 2,4 Liter Hubraum von 1974 und ein weißes, exakt gleich altes Chevrolet Nova Coupé mit 8,3 Liter Hubraum gegenüber.
Famose Duelle: Golf vs. Corvette, Camaro vs. M5
Noch parken die Kontrahenten in der Fahrzeugschlange, die unterhalb des gigantischen Tribünen-Neubaus der Mercedes-Arena zur exakt 402,33 Meter langen Renngerade paarweise vorrücken: AMC Javelin gegen Dodge Coronet, VW Golf I Turbo gegen Corvette, Camaro gegen BMW M5, insgesamt fast 30 Autos. Die Vorfreude der Zuschauer steigt beim Anblick der wartenden Konkurrenten wie die Fieberkurve vor dem ersten Date. Und heiß ist es sowieso in Hockenheim, so heiß sogar, dass die Fahrer vor dem Start im Schatten ihrer Boliden Schutz vor der sengenden Sonne suchen.
Pflichtprogramm für Dragster-Piloten: Burn-Out
Jetzt sind der Käfer und der Chevy dran, das Ritual beginnt von Neuem. Zuerst plumpsen die beiden mit den Hinterrädern in zwei kleine Wasserbassins, hoppeln heraus und lassen beim "Burn Out", dem kontrollierten Aufheizen der Reifen, reichlich Qualm aus den Radhäusern köcheln. Akustisch kann der Käfer-Boxer mit dem V8 locker mithalten; er klingt mit seinem harten Röhren sogar eine Spur zorniger als der Ami.
Die Kontrahenten gehen vom Gas und zuckeln nach vorn, vom "Pre Stage" in den "Full-Stage"-Messbereich. Ab hier wird die Rennzeit, die "Elapsed Time", gemessen. Sind die Fahrzeuge in Position, drückt der immer cool und teilnahmslos zwischen den Autos wartende Starter hinter seinem Rücken und nach eigenem Zeit-Ermessen den entscheidenden Knopf. An der Start-Ampel, dem "Christmas-Tree", leuchten jetzt übereinander jeweils drei gelbe Lampen, die nach 0,4 Sekunden auf je ein einzelnes Grünlicht wechseln - und los gehts's!
Spannende Zweikämpfe zwischen den heißen Kisten
Fast wie ein Laubfrosch - daher wohl die Farbe - hüpft der Käfer spontan nach vorn, während der Chevy gerademal seine Nase anhebt und erst dann vom Fleck kommt, als der Käfer bereits drei Wagenlängen vor ihm liegt. Doch der Ami setzt nach, wird zum Käferjäger. Die Zuschauer springen von ihren Sitzen und blicken jetzt alle in Richtung Ziellinie, darüber die große Anzeigentafel. Und tatsächlich: Der Käfer hat es geschafft, die Zahlen über seiner Spur leuchten triumphal als erste auf: 11,773 Sekunden, 189,41 km/h.
Nach diesem K.O.-Verfahren wird in jeder Dragster-Rennklasse der Sieger ermittelt: Von den langnasigen, mit Nitromethan befeuerten, 6.000 PS starken und 500 km/h schnellen Top-Fuel-Raketen bis zu den Rennern des "Public Race" mit getunten Serienautos, von denen jedoch die meisten mit roter 07er-Nummer an den Start gehen.
Drei Rennklassen bei den Dragster-Oldtimer - 1. Public Racer
Die Dragster, die mehr oder weniger deutlich als Oldtimer zu erkennen sind, lassen sich drei Rennklassen zuordnen: zunächst die modifizierten Serienautos der Public Racer wie der 55er Pontiac Chieftain von Manuel Kreiter mit blitzblankem Original-Interieur einschließlich bequemer Frontsitzbank, elektrischer Fensterheber und Radio. Der Pontiac steht auch für flotte Hochzeitsfahrten zur Verfügung.
2. Super Gas - die Mutanten
Dann folgen die Wahnsinns-Mutanten der "Super Gas"-Klasse: Hier hat man in die verstärkte Serienkarosserie einen komplett neuen Antriebsstrang einschließlich V8-Motor, Getriebe und Hinterachse mit Monsterrädern implantiert. Dazu zählt der außergewöhnliche Opel Manta A von Guido Uhlir mit 7,4-Liter-V8, der übrigens im Schlussduell den 77er Camaro von Mike Poser schlägt und damit Klassensieger wird. Oder, noch eigenwilliger, der exotische "Outlaw"-MGA von Jan Hardekopf, in dem der Diplom-Ingenieur Roadster-Freuden mit 550 PS genießt.
3. Pro Mod: Die Monster mit bis zu 2.500 PS
Noch extremer zeigen sich die Brutalos der "Pro Mod"-Klasse. Sie gehen mit mindestens 8,5 Liter Hubraum, Lachgaseinspritzung oder Kompressor an den Start. Ihre Motorleistungen gipfeln bei 2.500 PS; die nach dem Sprint erzielten Spitzengeschwindigkeiten liegen bei bis zu 350 km/h. Riesige Heckflügel zieren die meist aus Kunststoff geformten, stark vom Serien-Look abweichenden Karosserien, die auf einem speziellen Dragster-Rennchassis sitzen.
Ihr Erkennungsmerkmal sind die obszön geöffneten Motorhauben, aus denen die nackten, hutzenlosen Kompressormotoren schamlos herausragen. Ihr höllischer, hart knurrender Motorenlärm hallt beim Start von der Mercedes-Arena wider und erinnert eher an das jüngste Gericht als an ein Automobilrennen. Wenn sie starten, schwillt bereits im Stehen das Motorhämmern bis zur Schmerzgrenze an, und dann, zack, sind sie weg.
Die Suche nach dem Motiv - Warum macht man sowas?
Warum machen die das? Und warum ausgerechnet mit mehr oder weniger originalen Oldtimern? Manuel Kreiter hat wie fast alle Racer seinen Pontiac Chieftain selbst restauriert und aufgebaut: "Der Wagen lief mal auf Hawaii und hatte bis auf den Unterboden viel Rost." Kreiter gefiel die Form des bulligen Zweitürers, doch irgendwann fand er es langweilig, "immer nur zu Ami-Treffen zu fahren".
Nach dem Besuch eines Dragster-Rennens stand für ihn fest: "Das macht mich mehr an." Auch Olivier Mourier fuhr mit seinem AMC Javelin von 1972, dem "Nummer 1-Ponycar in Frankreich", zunächst nur spazieren. Als dann der Motor eine Überholung nötig hatte, wurde dieser gleich durch eine stärkere Maschine ersetzt und der gelbe Renner sukzessive in einen konkurrenzfähigen Straßen-Dragster umgebaut, "damit die Leute mal einen AMC Javelin in Aktion erleben können."
MG A-Pilot Jan Hardekopf bringt es auf den Punkt: "Zum Drag-Racing gehören auch Emotionen und individuelle Typen." Jeder Rennwagen signalisiere die Vorlieben des Fahrers oder Teams: "Ich zum Beispiel suchte vor allem ein leichtes Auto. Außerdem besaß ein Kollege von mir einen normalen Straßen-MG, in dem ich einige Male mitgefahren bin." So erwarb Hardekopf 2001 den bereits 1994 in England aufgebauten MG-Dragster mit Chevy-V8.
Überrasschungssieger: VW Golf gewinnt die Klasse der Serienautos
Doch jetzt zurück zum Renngeschehen, denn 2009 erlebt das Public Race bei den NitrolympX einen denkwürdigen Sieger und eine große Schlappe für die US-Streitkräfte: Mit dem 1,8-Liter-Turbo-Golf I von Markus Stegbauer gewinnt erstmals ein Fronttriebler-Floh die Klasse der Serienautos. Diese Schmach könnte sich 2010 in Hockenheim wiederholen. Die US-Car-Kämpfer schleifen deshalb ihre Streitäxte schärfer als jemals zuvor.
NitrolympX 2010 - Drag Racing in Hockenheim
Die 2010 vom 13. bis 15. August zum 25. Mal ausgetragenen NitrolympX sind das größte Dragster-Rennen auf dem Kontinent, das im vergangenen Jahr 50 000 Besucher anlockte. Der Veranstaltungsname ist eine Verkürzung von "Nitro Olympics" und nimmt Bezug auf den hoch explosiven Nitromethan-Treibstoff der Top Fuel-Dragster.
Der Eintritt für das Wochenende mit Blick auf den Start und die gesamte Rennpiste samt Zieleinlauf liegt im Schnitt bei 120 Euro pro Person. Der obligate, im Ticketpreis enthaltene Rundgang durch das riesige Fahrerlager mit rund 200 Rennautos und 100 Rennmotorrädern ist für jeden Technik-Fan ein unvergessliches Erlebnis, besonders die Wartungsarbeiten an den Top Fuel-Dragstern, deren Motoren nach jedem Rennen komplett zerlegt und wieder zusammengebaut werden.
Am Wochenende davor finden vom 7. bis 8. August die Public Race Days für jedermann statt.
Der Eintritt kostet zehn Euro, die Teilnahme sieben Euro. Infos unter www.nitrolympx.com, Tickets unter www.hockenheimring.net